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Archiv-Artikel

Prioritäten sind klar gesetzt

Die Lustlosigkeit der auf das Match gegen Juventus Turin am Dienstag fixierten Münchner Bayern nützt Schalke 04 mit dem überragenden Gerald Asamoah zu einem höchst verdienten 1:0-Erfolg

AUS MÜNCHENJÖRG SCHALLENBERG

Jürgen Klinsmann hätte seine helle Freude gehabt. Leider zog der Bundestrainer das wohltemperierte Kalifornien dem frostigen Münchner Olympiastadion vor – aber irgendwie war er doch die ganze Zeit präsent. Denn unten auf dem Rasen lieferte ein alles andere als blonder Stürmer die beste Schwabenpfeil-Gedächtnisshow seit langem ab. Wie Klinsmann anno 1990 beim 2:1 gegen die Niederlande im WM-Achtelfinale raste und rackerte Gerald Asamoah 89 Minuten lang so aufgedreht, als würde ihn ein Schwarm Wespen jagen.

Zunächst bearbeitete der Schalker Stürmer den rechten Flügel, wobei er sich auch von zwei bis drei Gegenspielern kaum stoppen ließ und dem Kollegen Ailton in der 24. Minute per Zuckerpass die erste Riesenchance eines langweiligen Spiels eröffnete – der scheiterte aber mit seinem Schlenzer an Oliver Kahn in WM-2006-Form. Ohnehin hätte der überraschend pünktlich aus dem Urlaub heimgekehrte Brasilianer ruhig noch ein paar Tage in der Heimat bleiben können. Es war kein Zufall, dass die Schalker nach Ailtons Auswechslung in der 67. Minute immer gefährlicher wurden – und eine Viertelstunde vor Schluss den verdienten Siegtreffer erzielten.

Torschütze war, natürlich, Asamoah. Nachdem sich die Bayern-Abwehr auf ihn eingestellt zu haben schien, rückte er nach Ailtons Abgang in die Mitte, wo er einen Freistoß von Hamil Altintop per Kopf versenkte. Bayerns Abwehrspieler ließen ihn dabei so allein im Strafraum stehen, als hätten sie es längst aufgegeben, dem Schalker Ein-Mann-Sturmwirbel auf seinen unergründlichen Wegen zu folgen.

Da staunte nicht nur dessen Trainer Ralf Rangnick („Wenn der jetzt auch noch Kopfball-Tore macht, was soll ich da noch verbessern?“), sondern auch Bayern-Coach Felix Magath („Unglaublich, wie der sich reingehängt hat.“) schwärmte anschließend dermaßen begeistert von Gerald Asamoah, dass man sich bei Schalke 04 angesichts des zweiten Sieges nacheinander vor allem über eines Sorgen machen muss: Möglicherweise hatte sich Magaths Wunschliste für die kommende Saison soeben um einen Namen erweitert.

Momentan mangelt es den Bayern zumindest an einsatzfähigen Stürmern: Mit Roy Makaay stand lediglich eine Spitze im Kader, auf den Nachwuchsstürmer Paulo Guerrero hatte Magath dankend verzichtet, weil der Peruaner nach seinem Nationalmannschaftsdebüt zu spät wieder in München eintraf: „Wenn wir auf so einen Spieler angewiesen sind, sieht es schlecht aus. Kommt der da an mit seinem Täschchen nach dem Abschlusstraining …“ – der Rest blieb Kopfschütteln.

Neben Guerrero ärgerte sich Magath am meisten über Sebastian Deisler, der eine Art zweite Spitze spielen sollte, sich aber ständig ins Mittelfeld zurückfallen ließ, um dort den Ball zu fordern. Pech nur: Wenn er ihn bekam, war vorne niemand, den er noch anspielen konnte. Als Konsequenz seiner taktischen Taubheit musste Deisler schon in der Pause Platz machen für Görlitz, und Magath kritisierte später, dass „dem Sebastian die Geduld fehlt, abzuwarten und sich vorne in eine günstige Position zu bringen. Ein Spieler wie er will möglichst oft den Ball haben.“

Eine weitere offensive Alternative wäre Zé Roberto gewesen, doch den brasilianischen Nationalspieler, gerade von zwei Länderspielen heimgekehrt, schonte Magath für das Champions-League-Match am Dienstag bei Juventus Turin. Die Prioritäten sind klar gesetzt beim FC Bayern, dafür nimmt man einen komplett lustlosen Auftritt wie jenen vom Samstag im ausverkauften Olympiastadion billigend in Kauf. Für Schalke war diese großzügige Haltung ein Glücksfall.

Denn trotz des überragenden Asamoah und einer ansehnlichen Spielanlage blieben Schwächen unübersehbar: Neben Ailton konnte auch Ebbe Sand als dritter Stürmer nichts ausrichten, und die Abwehr um Bordon und Krstajic erwies sich bei Standardsituationen als unsicher: Hätten Lucio oder Makaay etwas besser getroffen, wäre selbst für die bemerkenswert ungefährlichen Bayern ein Sieg möglich gewesen. So bleibt man weiter hinter Mainz, und Felix Magath ahnt besonders mit Blick auf seinen Ex-Arbeitgeber Stuttgart Böses: „Letzte Saison hatte Bremen einen Lauf, warum sollte das in diesem Jahr nicht einer anderen Mannschaft gelingen?“