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Archiv-Artikel

Kopfkino für Weltschmerzler

Katharina Franck eröffnet morgen die Reihe „Hör Zu“ in der Schwankhalle

Manchmal ist das Leben wie eine schäbige Stripbar in der brasilianischen Provinz, in der frau hinter Panzerglas ihre Pobacken anspannt. Solch skurrile Einsichten dürfen die Bremer morgen im Jungen Theater genießen. Katharina Franck eröffnet mit Stücken aus ihrer aktuellen CD „zeitlupenkino“ die Reihe „Hör Zu: Zeichen & Wunder“. Die bietet einen Monat lang in der Schwankhalle Theater für die Ohren.

Vom unbarmherzigen Oldie-Radio wird Franck immer noch als die Sängerin des 80er-Fossils „Rainbirds“ gebrandmarkt. „Blueprint“ – ein ewiger Ohrwurm. Dabei wandelt sie schon seit Jahren auf experimentellen Solopfaden: Auf dem neuen Album spricht und singt Franck 13 eigene Gedichte. Gedankenfetzen wechseln mit abgeschlossenen, episodenhaften Erzählungen. Teils lakonisch und nüchtern, teils persönlich und sehr intim erzählt die Künstlerin von ihren Erlebnissen. „Brief nach Merzouga“ oder „New York City Marathon“: Das Leben, das sich bei solchen Titeln im Kopfkino des Zuhörers abspielt, ist das einer abenteuerlustigen Kosmopolitin. Mit den dazugehörigen Schattenseiten: Die innere Rastlosigkeit und die Traurigkeit über gescheiterte Beziehungen bilden den roten Faden, der sich durch die Gedichte Francks zieht.

Die Musik verstärkt das Gefühl des Getriebenseins: Konsequente Stilwechsel – je nach Titel Jazz, Folk oder Drum ‘n‘ Bass. Immer groovt es, nie erlaubt die Musik ein Zurücklehnen. Dazu rezitiert Franckemit glasklarer Stimme und gehobenem Tempo.

Gerade die längeren, jazzigen Stücke erlauben es dem Zuhörer gelegentlich abzuschweifen, lassen Raum für eigene Gedanken. Es ist nicht wichtig, jede Nuance eines Franck-Textes mitzunehmen, die Atmosphäre sickert eh ins Unterbewusste ein. Und in besonders schönen Passagen gewinnt die Künstlerin die Aufmerksamkeit immer wieder geschickt zurück. Etwa wenn sie durch szenisches Sprechen die plumpen Annäherungsversuche eines Mitropa-Kellners nachahmt. Oder wenn sie in einem chinesischen Diner ihren Ärmel in die Sojasauce hängen lässt. Ein kurzes Lachen durchbricht die Wolkendecke der Melancholie.

Tim Ackermann

Katharina Franck, „Zeitlupenkino“: morgen im Jungen Theater, Schwankhalle, 21 Uhr, 13 / 6,50 Euro