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der kommentarIM „Ronald McDonald“

Demnächst wird das Sandmännchen 45 Jahre alt. Was gibt es da zu feiern?

Im Kalten Krieg konnte der Ostblock zwei entscheidende Erfolge feiern. Erstens den Sputnik, mit dem die Sowjets entsprechende Pläne der USA durchkreuzten und den Wettlauf ins All starteten. Zweitens das Sandmännchen, mit dem das DDR-Fernsehen entsprechende Pläne des SFB durchkreuzte – und sich mit dem Start von „Unser Sandmännchen“ am 22. November 1959 einen fernsehpädagogischen Vorsprung verschaffte, der nie wieder eingeholt werden sollte.

Mag sein, dass die merkwürdige Marionette mit dem Kinnbart und den ausdruckslosen Knopfaugen heute zu den wenigen wirklich gesamtdeutschen Kultfiguren gehört. Umso mehr sollten wir den nostalgischen Lobgesängen zum Jubiläum misstrauen. Denn nie war das Sandmännchen der drollige Troll, als der es nun rückblickend beschrieben wird. Es war ein ins Fernsehen ausgelagerter Handlanger elterlicher Autorität: „Wenn das Sandmännchen kommt, dann geht’s aber ins Bett.“ Da können die Abende, von Glühwürmchen bevölkert, noch so verzaubert gewesen sein – das Sandmännchen duldete keinen Widerspruch und guillotinierte selbst die größten Glücksmomente der Kindheit.

Zwar wurden Kontakte zur Stasi nie ruchbar. Aber das schließt nicht aus, dass dieser gruselige Gnom trotzdem in geheimer Mission unterwegs war, nämlich Kinder zum Glotzen zu verführen. Das Sandmännchen? Es ist ein Agent des Mediums selbst, ein Ronald McDonald des Fernsehens. ARNO FRANK

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