Eine Frage: Haben sie auch Haustiere?

So schlicht können Auswahlgespräche sein. Die Studi-Auswahl kostet bürokratischen Aufwand – und Geld

Das würde mehr bringen: Gutfinanzierte dezentrale Studienberatungen, Mentoren und ein transparenter Studienanfang

Früher reichte es aus, mit dem Abiturzeugnis beim Immatrikulationsbüro vorstellig zu werden. Dann war man flugs Student. Heute ist das anders, denn die „Hochschulzugangsberechtigung“ hat ihren Stellenwert weitgehend eingebüßt. Zunehmend lösen Testverfahren und Auswahlgespräche die Institution Abitur ab. Mitnichten sind davon nur Fächer betroffen, die über die zentrale Studienplatzvergabe gehen. Wegen der gravierenden Unterfinanzierung der Hochschulen grassieren lokale Zugangsbeschränkungen.

Die Verfechter des neuen Hochschulzugangs verweisen meist auf die mangelnde Studierfähigkeit der Studienbewerber, die Auswahlgespräche nötig machten. Die Untauglichkeit schlage sich in der hohen Zahl von Studienabbrüchen nieder und bei den so genannten Langzeitstudierenden. Die Hochschulen sollen künftig also die Brauchbarsten auswählen. Anders formuliert: Mit den neuen Auswahlverfahren soll eine Prognose über den späteren Studienerfolg möglich sein. Die Hochschulen hätten dann keine unfähigen Studierenden mehr, die Studierenden stünden weniger oft vor dem Scherbenhaufen eines abgebrochenen Studiums. Und die Universitäten würden untereinander in Wettbewerb treten – um die besten Studierenden. So weit, so gut?

Die ersten Erfahrungen mit Interviews zeigen leider: Es ist nicht nicht im Mindesten klar, welche Kriterien dazu taugen, den Studienerfolg zuverlässig zu prognostizieren. Fragen nach Vorkenntnissen über das Studienfach scheinen nicht sinnvoll. Dies wäre aufgrund der unterschiedlichen schulischen Möglichkeiten (Stichwort: Leistungskurse) nicht im Sinne einer wünschenswerten Chancengleichheit. Das persönliche Entwicklungspotenzial der Studierwilligen ist zudem unterschiedlich.

Somit wäre es für die Hochschulen sinnvoller, die Motivation der Bewerber für ein Studium zu erfragen. Doch ist es unrealistisch, dafür verlässliche Kriterien zu finden. Nur die wenigsten werden angeben, dass sie eigentlich gar keine Lust auf das Fach haben. Mit etwas Vorbereitung und darstellerischem Talent lassen sich zurückhaltendere Personen ausstechen. Es ist offensichtlich: Ohne glasklare Kriterien ist der Subjektivität und Willkür Tür und Tor geöffnet. Bei einer Anhörung des Landtages Nordrhein-Westfalen kamen denn auch erschütternde Details über Auswahlgespräche ans Licht. Noch der größte Blödsinn wurde gefragt – sogar ob Bewerber Haustiere haben.

Der offensichtliche Dilettantismus wird nur hinter vorgehaltener Hand eingeräumt. Denn hinter den neuen Auswahlverfahren stehen von Seiten der Hochschulen noch ganz andere Interessen. Es sollen sogar Gebühren für Bewerbungen fällig werden. Eine wahrlich unverhoffte Geldmaschinerie.

Die einzig zweckdienliche (und obendrein gut quantifizierbare) Frage in Auswahlverfahren wäre die nach der finanziellen Situation. Ein erfolgreiches Studium ist in Deutschland wesentlich vom wirtschaftlichen Hintergrund abhängig. Dass die Studierenden, die sich neben dem Studium ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, länger an der Hochschule verweilen, ist logisch und offensichtlich. Wer dagegen finanziell über die Eltern gut abgesichert ist, dem kann am ehesten eine positive Prognose zuteil werden.

Wenn man Studienabbrüche und lange Studienzeiten als Probleme betrachtet, dann ist Ursachenforschung gefragt. Der wichtigste Grund fürs Universagen dürfte im schwierigen Übergang von der Schule an die Hochschule liegen. Erstsemester kommen oft in eine fremde Stadt, müssen sich mit Wohnungs- und Jobsuche rumschlagen. Auf sie kommen ganz neue Anforderungen zu. Sie haben aber zunächst wenig soziale Kontakte. Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Die konkrete Hilfestellung für sie sieht hingegen mau aus. Jede Hochschule bietet zwar tapfere Studienberater auf. Doch ist der erste Bezugspunkt der neuen Studierenden das jeweilige Institut. Jedes Fach bringt seine individuellen Probleme mit sich. Eine adäquate Betreuung muss also dezentral erfolgen. An den Instituten sind es meist die Fachschaften, die Hilfestellung anbieten – auf freiwilliger Basis und mit geringen finanziellen Mitteln. Angesichts der mannigfaltigen Probleme ist das völlig unverständlich!

Gut finanzierte dezentrale Studienberatungen, Mentoren und ein transparenter Studienanfang – das wären die Mittel, um Studienabbrüche zu verhindern. Nicht subjektive Auswahlgespräche durch ungeschultes Personal, die nur bürokratischen Aufwand erfordern und viel Geld kosten. CHRISTIAN HABERECHT

Der Autor, 27, promoviert an der FU Berlin in Politikwissenschaft