Und sie bewegt sich nicht

Unklare Zuständigkeiten und ineffiziente Gremien würden die Arbeit der Berliner Akademie der Künste beeinträchtigen, mahnt der frühere Präsident György Konrád

In diesen Tagen ist der Geist von György Konrád an die Berliner Akademie der Künste zurückgekehrt. Und er verbreitet Angst und Schrecken. Hat doch der ungarische Schriftsteller, der bis Mai 2003 als Präsident der nationalen Kulturinstitutionen agierte, der Akademie samt seinem Nachfolger Adolf Muschg noch vor seinem Ausscheiden ein Kuckucksei ins Nest gelegt.

Um die Organisationsstruktur des mit 150 Mitarbeitern und circa 330 Mitgliedern nicht gerade schlank arbeitenden Hauses wieder auf Trab zu bringen, beauftragte Konrád das Bundesverwaltungsamt mit einer Prüfung der inneren Abläufe. Für die geplante Übernahme der Künstlersozietät durch den Bund 2004 werden nun Personal- und Arbeitsstrukturen der Akademie begutachtet. Die Verwaltung und die Mitglieder schüttelt es vor der Evaluierung. Auch darum, weil Konrád selbst vor zwei Jahren ein Papier zur inneren Lage hat erstellen lassen, dies aber mit schelmischem Gleichmut nicht an die große Glocke hing.

Als ob die Akademie der Künste mit dem stockenden Neubau von Günter Behnisch am Pariser Platz nicht genug Probleme hätte, fallen der Sozietät und Präsident Muschg seit Mittwoch das Bundesverwaltungsamt und das alte Gutachten gleich auf einmal vor die Füße. Und wie jede tradionsreiche Kulturinstitution reagiert die Akademie panisch auf möglichen strukturellen Reform- und Veränderungsdruck. „Wir produzieren ein Produkt, das man nicht planen und berechnen kann“, poltert Muschg gegen die Prüfung betrieblicher Abläufe.

Dass es der Berliner Akademie dennoch gut täte, einmal hinter die Kulissen ihres Verwaltungs- und Organisationsapparates zu schauen, um als zeitgemäßer Kulturbetrieb per Management oder Controlling sich selbst zu überprüfen, mahnt bereits das frühe Konrád-Papier an. Dort wird dem Haus seit der Vereinigung mit der Ost-Akademie 1993 erheblicher Reformstau attestiert: „Die Arbeitsabläufe werden durch Mängel in Kommunikation, unklaren Zuständigkeiten und Leitungsfunktionen, ineffizienten Gremien und eine in Teilen pseudo-basisdemokratische Organisationskultur beeinträchtigt“, steht da. Auch sei die Institution personell überproportional ausgestattet, was zu Lasten des künstlerischen Etats gehe. Das Gutachten schlägt darum einen hauptamtlichen Präsidenten oder Intendanten für die Akademie vor.

Für Muschg, der fürchtet, das Bundesverwaltungsamt könne sich die Kritik zu Eigen machen, ist das zu starker Tobak: Die Akademie werde niemals einen Künstler als Präsidenten bekommen, „wenn wir hier einen Intendantenbetrieb aufziehen“. Sein Präsidialsekretär Hans Gerhard Hannessen lehnt das Gutachten ebenso ab, räumt aber „Reformbedarf“ ein. „Jede Institution muss sich doch bewegen“, sagte er gegenüber der taz. Um den Geist Konráds wieder in die Flasche zu zwingen, schlägt Hannessen darum vor, „intern zu diskutieren“ – zumal 2004, zur Bundesübernahme, eine neue Satzung nötig ist. Doch Selbstevaluierung war gerade nicht der Hintersinn des Konrád’schen Kuckuckseis. ROLF LAUTENSCHLÄGER