Eine fast demokratische Show

Sollen doch andere Sender ihre Superstars suchen – die ARD setzt zwei Etagen tiefer an und nimmt, was vom Star übrig bleibt: den Fan (20.15 Uhr, ARD, „Gold Gold Gold“)

Egal, wie frühzeitig die ARD-Programmmacher sich aufmachen – die Plätze in der ersten Reihe sind immer schon besetzt. „Gold Gold Gold“ heißt die Sendung, die im November letzten Jahres das erste Mal ausgestrahlt wurde. Quote: 15,6 Prozent Marktanteil bei 4,56 Millionen Zuschauern.

Das „Oscar“-Prinzip

Früher wurde wenig Aufhebens um eine Goldene Schallplatte gemacht, manchmal wurde ein Fernsehauftritt in einer Unterhaltungsshow genutzt, um sie zu überreichen. Heute, wo die Musikindustrie so sehr kränkelt, dass man bereits für 100.000 verkaufte Alben Gold bekommt – bis 1999 mussten es 250.000 Stück sein –, ist dies eine eigene Sendung wert. Das „Oscar“-Prinzip, ein Moderator, erlesene Prominente, die die Auszeichnung übergeben, ist für diverse Fernsehpreisverleihungen bereits ausgereizt und so kam man beim NDR auf eine fast demokratische Idee: die Goldene Schallplatte sollen diejenigen überreichen, die den Stars ihren Reichtum erst ermöglichen, die Fans.

Über die Bild-Zeitung und Internetforen ließ man die Kunde von der Fan-Suche verbreiten, und wie im Märchen muss derjenige, der einmal am Glanze Teil haben will, eine Aufgabe erfüllen. Dieses Jahr bedeutete das unter anderem, sich eine Choreografie für Daniel Küblböck auszudenken, den besten Fan-Artikel für die Schürzenjäger oder sich zu überlegen, was man tun würde, um Sting in den eigenen Fußballclub zu locken. Die Redakteure der Sendung wählen die jeweils besten drei Vorschläge aus, und die werden dann unter Moderation von Jörg Pilawa vorgeführt. Die zu Vergoldenden selbst, darunter auch Enrice Iglesias und Sarah Brightman, wählen aus, welche Leistung ihnen am besten gefallen hat – der entsprechende Fan darf dann seinem Helden das Gold überreichen. Im letzten Jahr begründete die damals 11-jährige Peggy den Verdienst Anastacias mit den offenen Worten: „Du hast wirklich Pfeffer unterm Hintern!“

Etwa 1.000 Video-Einsendungen sind beim NDR eingegangen, manche mit Datums- und Uhrzeiteinblendung, „wenn sie nicht wissen, wie man die abschaltet“, so Pilawa, andere dagegen von überraschend professioneller Qualität. Auch die Kreativität habe ein Potenzial, „da kann sich jede Agentur hinter verstecken“, so Jürgen Meier-Beer, Unterhaltungschef des NDR.

Damit sich die Fans während der Live-Sendung heute Abend nicht als mediengeile Aufschneider oder als überhaupt nicht TV-geeignet herausstellen, reisen zuvor Mitarbeiter der Produktionsfirma durch die Lande und prüfen die Fan-Aspiranten auf echtes Anhängertum und Kameratauglichkeit.

Die ARD begreift das Programm als Familiensendung, und durch das breite Altersspektrum („Wir haben Einsendungen von 8- bis 70-Jährigen erhalten“) hat „Gold Gold Gold“ rein theoretisch tatsächlich das Potenzial, die Generationen vor dem Fernseher zu vereinen. Der größte Spaß aber dürfte jenen vorbehalten bleiben, die die Einsendungen sichten. Vorausgesetzt, sie können Selbstentblößung genießen. SILKE BURMESTER