: Starke Jungs bleiben cool
„Kinder stark machen“ ist das Ziel des Bremer Verbandes binationaler Partnerschaften und Familien (iaf). Erstmals fand im Rahmen der Reihe jetzt auch ein Training für Jungen statt – das auf Deeskalation und Köpfchen setzt. 14 Jungen aus Norddeutschland nahmen daran teil. Fotos von Joanna Kosowska
Aus Bremen Eva Rhode
Die Mädchen haben schon seit Jahren ihre Mädchengruppen und Wendo-Trainings – für Jungen war in puncto Selbstbehauptung bislang weniger los. Jeder musste alleine klar kommen. Damit ist jetzt Schluss. „Starke Jungs bleiben cool!“, lud die Bremer iaf im Sommer erstmals zu einem Wochenendtraining für afrodeutsche und afrikanische Jungs ein. Es wurde ein norddeutscher Erfolg. 14 Jungen kamen –aus Göttingen, Bremen, Delmenhorst und Bielefeld – und sie wollen wieder kommen.
„So was wird hier im Raum selten angeboten“, sagt vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften (iaf) die Initiatorin, Barbro Krüger. Seit Jahren prägt sie mit ihrem „Kinder stark machen“ das bremische iaf-Programm. Die Arbeit mit schwarzen Jungs wird künftig dazu gehören. Und dabei die Frage: Was ist eigentlich stark?
Wer von den 14 Jungtrainees zwischen sieben und 14 Jahren bislang dachte, Stärke sei möglichst fest zuzuschlagen, der hörte an diesem Wochenende von Samuel Meffire etwas anderes. „Kampf birgt Risiken“, steht der athletische afrodeutsche Ein-Meter-achzig-Mann vor den Kindern, die ihm höchstens bis zur Schulter reichen – und ihn anschauen, als würden sie denken: Für dich doch nicht! Aber Meffire spricht, als wüsste er genau, wie ein Schlag in den Bauch oder auf die Backe schmerzen kann. Und was er für einen Ärger bringt. „Wenn man wütend ist, kann man den anderen verletzen“, erinnert er. Weswegen man Kampf dann lieber nicht riskieren sollte. „Wenn uns jemand immer ärgert und ärgert, müssen wir ihn VER…“ „-kloppen“, ruft vollmundig ein Knirps. Ver-MEIDEN, blickt Meffire etwas strenger. „Wir machen das mit dem Kampf nur zur Verteidigung.“
Vier Trainigsstunden später, die Bob-Marley- und Ronaldo-TShirts sind den Jungen schon lange aus den Sporthosen gerutscht und manche haben sich bis in die Erschöpfung geboxt, hat ein 10-jähriger Bielefelder einen wichtigen Lehrsatz behalten. „Beim Kampf darf ich nicht treten“, sagt er mit ernsthafter Miene. Warum? „Weil ich dann leichter umfalle.“ Und wer umfällt, hat schon so gut wie verloren. Das wäre ungünstig. Zumal die Lektion des zweiten Trainingstages lautet: Wenn du kämpfen musst, dann kämpfe entschlossen. Nicht dass der Bielefelder schon so einen Kampf gehabt hätte. Aber er will auch keinen – und dafür kann Standfestigkeit auch nutzen. Die Situation, sich wehren zu müssen, kennen alle Teilnehmer. Weil sie Kinder sind. Weil sie Jungen sind. Und weil sie dunkle Haut haben. „Es ist immer noch so, dass afrodeutsche und afrikanische Kinder besondere Erfahrungen machen in dieser Gesellschaft“, sagt Barbro Krüger. Und sie meint – besonders negative Erfahrungen. Wegen der Hautfarbe mit fiesen Sprüchen ausgegrenzt oder angepöbelt zu werden, gehe den Kindern unter die Gürtellinie. Zu lernen, dass man sich das nicht gefallen lassen muss, und die Möglichkeit in einer Gruppe darüber gemeinsam zu sprechen, tue gut. Vor allem in Kombination mit so einem Trainer wie Meffire.
Unbeirrbar und saustark wirkt er auf die Jungen, wenn er mit ihnen Technik übt: Die Unterarme angewinkelt, den Arm schnell lang und zackk! zurück in den Schutz und wieder zackk! kriegt die dicke Turnmatte an der Wand ordentlich was ab. „So kann der Gegner euch nicht erreichen“, macht Samuel Meffire auch den zierlichen Jungen Mut, ihre Hoffnung auf Überlegenheit auf Konzentration und geschickte Technik zu gründen. Keinesfalls auf Wut oder Angst.
„Angst verhindert Wahrnehmung von Gefahr“, steht Meffire vor den Jungen, die an seinen Lippen hängen. Dann aber werde es leichter gefährlich, weil der Kopf dann anders funktioniert. „Wenn der Gegner ausholt, müsst ihr rangehen und die Distanz verkürzen“, gibt er Tipps, die die Jungen noch nie gehört, geschweige denn geübt haben. „Wenn ihr Abstand haltet, trifft er euch immer!“
So ähnlich gilt das auch für die Klammerübung, für die wenig später alle Jungen nacheinander Robert Akpabli anspringen. Der stämmige Mann, in Togo geboren und in Bremen zu Hause, nimmt es mit Geduld. „Ich will ja auch, dass mein Sohn stark ist und trotzdem Kampf vermeiden kann.“ Das will er auch für die anderen Jungen, bei denen er – wie Samuel Meffire – eine besondere Rolle spielt. Die des männlichen Vorbilds, afrikanisch oder afrodeutsch, das manchen Jungen fehlt, die bei ihren weißen Müttern und vielleicht Großeltern aufwachsen. Heikle Themen, die Barbro Krüger gegenüber Außenstehenden nur vorsichtig andeutet. Um dann zu sagen: „Ich bin sicher, wir werden noch mehrere dieser Treffen haben.“