Arbeiter wollen selbst Bosse werden

Weil Bosch ein Tochterunternehmen verkaufen will, wollen Mitarbeiter den Laden übernehmen, dürfen das aber nicht

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht Unternehmenskrisen die Gemüter erhitzen. Die betroffenen Mitarbeiter streiken, demonstrieren, versuchen zu retten, was zu retten ist. Aber es gibt auch Beispiele, da ergreifen die Mitarbeiter mit hohem persönlichem Einsatz noch vor der Krise die Flucht nach vorn.

Eine solche Flucht nach vorn findet zurzeit, in der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, in dem Berliner Unternehmen Bosch Breitbandnetze GmbH statt: Weil der Mutterkonzern die Firma verkaufen will, wollen die Mitarbeiter das Unternehmen selbst übernehmen. Frei nach dem Motto: Was andere können, können wir schon lange; nur wenn wir selber die Chefs sind, müssen wir keine Angst haben, dass uns jemand kauft, um den Markt zu bereinigen. „Wir kennen unser Geschäft und wollen es fortführen“, sagt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Detlef Generich. Aktiv geworden sei eine Belegschaftsbeteiligungsgesellschaft, die von anderen Investoren unterstützt werde.

Die Bosch Breitbandnetzwerke GmbH versorgt 1,2 Millionen Mieter mit Fernsehen, Rundfunk und Internet. Der Umsatz lag 2003 der IG Metall zufolge bei rund 102 Millionen Euro – der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen bei knapp 50 Millionen Euro. Bundesweit werden rund 220 Mitarbeiter beschäftigt, davon 100 in der Berliner Unternehmenszentrale. Laut Betriebsrat müsste jeder Mitarbeiter rund 20.000 Euro zur Verfügung stellen, um beim Unternehmen einzusteigen. Die Bereitschaft sei vorhanden, so Generich. 75 Prozent der Mitarbeiter hätten für das Angebot gestimmt, obwohl auch eine Firma mit Mitarbeiterbeteiligung eine zweijährige Durststrecke zu überwinden hätte. Dennoch macht sich Generich kaum noch Hoffnungen auf Erfolg – obwohl bislang keine richtige Absage gekommen sei. „Wir durften bis jetzt noch nicht in den Datenraum“, ärgert sich der Betriebsrat. Noch sei das Rennen zwar für alle offen, sagt Generich. Aber: „Wir haben wohl wenig Chancen, zum Zug zu kommen.“

Immerhin einen Erfolg schreibt sich Generich auf die Fahnen: dass Mitte September die Verkaufsverhandlungen mit einem Konkurrenzunternehmen zunächst gescheitert seien. ROT