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Archiv-Artikel

Ansichten eines Clubs

Wer nichts zu verlieren hat, kann doch verlieren: Bremen siegt gegen Nürnberg mit 4:1. Nicht zuletzt, weil der Club seine starke Phase nicht nutzt

„Dann kriegst du in der guten Phase das 1:3 nach einer Ecke – und alles ist vorbei“

Aus BremenBenno Schirrmeister

Mit dem Abpfiff erhält der Pfropf Zuwachs, und der Unmut steigt. Der Pfropf, das sind rund 40 Sportjournalisten, die auf der Hatz nach schweißgetränkten Spieler-Statements durch eine Röhre unter dem Zuschauerblock im Weserstadion hindurchdrängen. So wie nach jedem Spiel.

Neu ist aber, dass zwei Ordner die Meute, noch bevor sie die Mixed-Zone erreicht, aufstauen. „Ich darf Sie nicht durchlassen“, sagt einer von ihnen. „Tut mir leid.“ Jetzt geht auch noch das Licht aus. „Das ist die DFL“, empört sich der Mann vom Fachblatt, und ein alter Kämpe der lokalen Fußballberichterstattung quengelt, so mache das wirklich keinen Spaß mehr. „Tut mir leid“, sagt der Ordner wieder. Das Murren steigert sich, und die Sorge wächst, den erstmals eingesetzten Bremer Vertrags-Amateur Francis Banecki nicht nach dem Unterschied zwischen Regional- und erster Bundesliga befragen zu können. Dann klappt es doch noch: „Es ist alles sehr viel schneller“, wird der Debütant ermattet zu Protokoll geben. 40 Blöckchen saugen das begierig auf. Und sogar Sven Müller vom FC Nürnberg ist noch da. „Wir hätten eigentlich nichts zu verlieren gehabt“, sagt er, nur sei man so leider nicht aufgetreten. „Dann kriegst du in der guten Phase das 1:3 nach einer Ecke – und alles ist vorbei“, konstatiert er noch, und dass dann eben auch das 1:4 gefallen sei. Na, da hat sich das Warten ja gelohnt.

Die Partie hatte so eindeutig begonnen, wie sie endete. Werder spielte druckvoll, mit einem glänzend das Tempo variierenden Johan Micoud und einem starkem linken Flügel: In der 13. Minute fiel das 1: 0, nach einem Eckball, den Klasnic per Kopf am verdutzten Gästekeeper Raphael Schäfer vorbeidrückte. Eine Viertelstunde später traf dann Micoud lui-même: Sehenswert sein Dribbling von der Mittellinie bis an den Strafraumrand, gefühlvoller Doppelpass mit Klose: Tor. Und mehrfach noch rettete Schäfer in der ersten Halbzeit in Eins-gegen-Eins-Situationen. Gegen Micoud, gegen Klasnic, gegen Klasnic, gegen Klasnic. Dessen Formtief? Vergangenheit.

Nürnberg hatte bis dahin unscheinbar, ja ängstlich agiert: Der einzige Torschuss in der ersten Halbzeit war ein gefährlicher Freistoß von Mario Cantaluppi, den Andreas Reinke souverän parierte. Außerdem zu beobachten: sporadische Entlastungsangriffe des indisponierten Robert Vittek. Für den brachte Nürnbergs Trainer Wolfgang Wolf in der 82. Minute den Ex-Werderaner Ivica Banovic. Da hatte Christian Schulz – nach einer Ecke von links – bereits zum 3:1 abgestaubt. Fünf Minuten später sollte Fabian Ernst den Schlusspunkt setzen, nachdem Klasnic auf ihn abgelegt hat. Zu spät also, um noch „eine Rechnung zu begleichen“. Dabei hatte sich der – in seiner Bremer Zeit nur selten eingesetzte – Mittelfeldspieler das doch fest vorgenommen. Zumindest hatte er das der Boulevardpresse mitgeteilt. „Wegen dieses Artikels hat er nicht von Anfang an gespielt“, so Wolf, der wohl Fouls des Frustrierten befürchtete. „Mit diesen Äußerungen hat sich Bano zu viel Druck gemacht.“

Der Druck, den die Franken 20 Minuten machen, ist bei Banovics Einwechslung schon vorbei. Zu Beginn der zweiten Halbzeit wirbelten sie Werders Abwehr allerdings gründlich durcheinander. Bloß im Abschluss, da hapert’s: Zu ungenau die Schüsse und zu sicher der Keeper. Äußerst ungünstig steht Vittek auch, als ihn Valérien Ismaël in der 70. Minute umgrätscht: Von rechts aus dem spitzen Winkel ein Tor? Das hätte er kaum gepackt. Den fälligen Strafstoß verwandelt Marek Mintal hingegen sicher. Eine gute Phase. Aber dann, wie Müller schon sagt, „kriegst du das 1:3 nach einer Ecke“. Und alles ist vorbei.