: Ein General, zu hart für die Politik
Wesley Clark erlebt seinen zweiten Absturz – einst als Nato-Befehlshaber, jetzt als Hoffnungsträger der Demokraten
Wesley K. Clark war der Traumkandidat. „Das politische Amerika hat auf diesen Moment gewartet“, jubelte ein Kommentator, als der ehemalige Nato-Befehlshaber im September ankündigte, für die Demokraten ins Rennen um das Weiße Haus einzusteigen. Endlich schien jemand aufgetaucht, der frei war von der alten Schwäche gegenüber den Republikanern: fehlende Glaubwürdigkeit in Sicherheitspolitik und Antiterrrorkampf konnte niemand dem General vorwerfen, der auf CNN profund den Irakkrieg analysiert hatte. Der Mann aus Bill Clintons Heimatstaat Arkansas verfügte zudem über den Südstaaten-Bonus. Seit John F. Kennedy hat kein Demokrat mehr aus dem liberalen Nordosten gewonnen.
Zwei Monate später hat sich Ernüchterung breit gemacht. Der intelligente und sonst eloquente 58-Jährige konnte im direkten Duell mit den anderen Bewerbern seine Positionen nur schlecht verkaufen. Auf innenpolitischem Terrain wurden seine Schwächen deutlich. Demokraten nahmen ihm zudem übel, dass er einst für Ronald Reagan stimmte und Sympathien für George Bushs Antiterrorkampf äußerte. Statt im Sturm die Spitze zu erobern, belegt er in Umfragen derzeit nur den dritten oder vierten Platz.
Es wäre sicher verfrüht, den durchtrainierten Mann mit der tadellosen Erscheinung abzuschreiben. Seine Anhängerschar ist parteiübergreifend. Es gibt eine Webseite „Republikaner für Clark“, aber auch der linke Bürgerschreck Michael Moore bewundert und unterstützt ihn. Vielen Demokraten gilt Clark weiterhin als Hoffnungsträger.
Ein Trumpf ist seine Musterbiografie. Als Absolvent der Militärakademie West Point und der englischen Universität Oxford stieg er nach dem Vietnamkrieg rasch an die Spitze der Nato auf. Seine steile Karriere fand jedoch ein jähes Ende. Er ist der erste Nato-Befehlshaber, der einen Krieg führt, gewinnt und dann vom Verteidigungsminister in Rente geschickt wird. Die Entlassung war für Clark die schwerste Erniedrigung seiner Laufbahn. Die Umstände wurden von den US-Medien akribisch untersucht. Zutage kam ein umstrittener Clark, der sich im Kosovokrieg, wenngleich erfolgreich, über Anweisungen aus dem Pentagon hinwegsetzte. So sehr er von seinen Verehrern als kritischer Denker bewundert wird, so sehr werfen ihm Gegner vor, ein überambitionierter und siegessüchtiger Sturkopf zu sein, dem es schwer fällt, Fehler einzugestehen. Dadurch geriet er auch im Wahlkampf mit seinem Trommelfeuer an täglich erforderlichen Positionsbestimmungen in Nöte.
Mittlerweile werden Zweifel laut, ob es eine gute Idee für jemanden war, der sich so schwer verbiegen lässt, selbst ins Rennen zu gehen. Kandidaten wie Clark können freilich darauf hoffen, selbst im Fall eigenen Scheiterns noch als Anwärter für die Vizepräsidentschaft umworben zu werden. Es ist kein Geheimnis, dass Frontrunner Howard Dean um den General buhlt.
MICHAEL STRECK