: Anzeige aus dem Heimathafen
Die Kieler Staatsanwaltschaft hat Haftbefehl erlassen gegen die sieben Somalier, die einen deutschen Tanker angegriffen haben. Am liebsten wäre den Kielern aber, der Prozess bliebe ihnen erspart und würde in Kenia stattfinden
Die Piraten kommen, wenn alles schiefgeht, per Flugzeug nach Kiel, und sie könnten bleiben wollen. Am Dienstag hat die Kieler Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen die sieben Somalier erlassen, die Ende März den deutschen Marine-Tanker „Spessart“ angegriffen haben. Mehrere Schiffe, darunter eine griechische und eine spanische Fregatte, mischten sich ein, die Piraten wurden überwältigt und auf die deutsche Fregatte „Rheinland-Pfalz“ gebracht, die heute in Mombasa einlaufen soll.
Dort, so die Befürchtung, könnten die Piraten einfach von Bord gehen, wenn Kenia keine Klage erhebt. Dazu ist das afrikanische Land nicht verpflichtet, denn die „Spessart“ untersteht als Marineversorger nicht dem zivilen Seerecht. Die Marine hat Strafanzeige erstattet – und da Kiel Heimathafen der „Spessart“ ist, kommt die Staatsanwaltschaft von der Förde ins Spiel.
Lust auf einen langen Piratenprozess – als Zeugen müssten Soldaten aller beteiligten Schiffe geladen werden – haben weder der Kieler Justizminister Uwe Döring (SPD) noch die Staatsanwaltschaft. „Aber wir wollen uns nicht vorwerfen lassen, wir hätten nicht alles getan“, sagte Döring. Und griff die Bundesregierung an: „Es kann nicht sein, dass ein Dissens der Regierung auf dem Rücken der Kieler Staatsanwaltschaft ausgetragen wird.“
Denn in Berlin ist man uneins über den Umgang mit den Piraten: Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Hans-Peter Uhl hatte erklärt, die Somalier dürften „keine Einladung zum Asylverfahren bekommen“. Der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz sagte der FR, einen Prozess in Deutschland solle es nur „bei massiver Beeinträchtigung deutscher Interessen“ geben. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold meinte dagegen: „Angriffe auf deutsche Schiffe werden in Deutschland geahndet.“
Döring fasste zusammen: „Es könnte sich herumsprechen, es würde reichen, mit einem Gummiboot auf ein deutsches Schiff zuzufahren und in die Luft zu schießen, um einen kostenlosen Transport nach Deutschland zu bekommen.“ Doch dass die Piraten in Kenia „einfach die Gangway runtergehen“, wollte er nicht riskieren. Er stehe hinter der Entscheidung der Staatsanwaltschaft, den Haftbefehl zu beantragen.
Nun liegt es bei Kenia: Übernimmt der dortige Staatsanwalt, wäre Kiel aus dem Schneider. Aber der Zuständige ist nicht zu erreichen – und in Frankfurt wartet bereits das Flugzeug, das die Piraten nach Kiel holen soll.
ESTHER GEISSLINGER