piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Kraft, die aus der Tiefe kommt

Das erste Erdwärme-Kraftwerk in Deutschland liefert ab heute Strom. Es steht in Mecklenburg-Vorpommern,weitere Energieanlagen sind bundesweit geplant. Bislang wird Geothermie nur für Heizung und Warmwasser genutzt

aus Berlin KATRIN EVERS

Heute geht im mecklenburgischen Neustadt-Glewe das bundesweit erste Geothermiekraftwerk ans Netz. Damit wird in Deutschland erstmals Strom aus Erdwärme gewonnen – bislang wurden hohe Temperaturen und heißes Wasser aus dem Erdinneren ausschließlich zur Wärmeversorgung genutzt.

Rund 1.500 Megawattstunden Strom soll das Kraftwerk im Jahr liefern. Das entspricht dem Jahresbedarf von gut 500 Haushalten. „Erstmals können die erneuerbaren Energien nun auch die Regel-Energieversorgung mit abdecken“, sagt ein Sprecher des Bundesumweltministeriums (BMU), das das Projekt mit knapp 400.000 Euro aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm fördert. „Das heiße Wasser ist immer und völlig witterungsunabhängig vorhanden. Der Geothermiestrom ist keinen Schwankungen unterworfen“ – und kann deshalb, anders als etwa Windkraft, für die Grundlast eingesetzt werden. Betreiber des Kraftwerks ist die im Dezember 2002 gegründete Firma Erdwärmekraft, an der die Berliner Bewag zu 51 Prozent, die Wemag Schwerin und die Pfälzer Langeo zu je 24,5 Prozent beteiligt sind.

Bereits seit Ende der 1980er-Jahre versorgt heißes Wasser aus 2.200 Meter Tiefe Einwohner und Gewerbe von Neustadt-Glewe mit Fernwärme. Da stets eine Mindestmenge an Wasser gefördert werden muss, blieb ein Großteil der Wärme im Sommer bislang ungenutzt.

Die Temperaturen bis zu 98 ° Celsius, mit denen das Wasser in Neustadt-Glewe an die Oberfläche gelangt, reichen allerdings nicht, um mittels Dampfturbinen Strom zu gewinnen. Daher kommt die so genannte Organic-Rankine-Cycle-Technologie zum Einsatz: Das Wasser erwärmt einen synthetischen organischen Stoff, der bereits bei 31 ° Celsius siedet und die Turbine antreibt. Das abgekühlte Wasser vermischt sich anschließend mit warmem Wasser aus der Tiefe, wird über einen Wärmetauscher geleitet und liefert so weiterhin Heizwärme. Dies soll in Neustadt-Glewe auch weiterhin Priorität haben. Bei niedrigen Außentemperaturen bleibt das Kraftwerk abgeschaltet; die gesamte Wärme dient zum Heizen. Im Sommer soll es vorwiegend Strom produzieren. Mit seiner recht geringen Leistung von 210 Kilowatt habe es ohnehin eher Pilotcharakter, so die Betreiber.

Dass Strom aus Erdwärme erst jetzt und in einem so kleinen Kraftwerk gewonnen wird, liegt zum einen an den geologischen Gegebenheiten in Deutschland. Während in Ländern wie Island oder Kenia das heiße Wasser aus der Erde sprudelt, muss in Deutschland im Münchener Becken, im Rheingraben, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern tief danach gebohrt werden. Zudem hat die Bundesregierung aus Sicht des Ökoinstituts Darmstadt zu wenig in die Forschung investiert.

Immerhin schafft das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Anreize. Es garantiert den Lieferanten derzeit 8,95 Cent pro Kilowattstunde (kWh), wenn Strom aus Geothermie ins öffentliche Netz eingespeist wird. Das neue EEG sieht ab 2004 bei Anlagen bis fünf Megawatt dann 15 Cent pro kWh vor.

Interesse an den Erfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern dürften auch die Betreiber der Erdwärme-Kraftwerke haben, die demnächst ans Netz gehen sollen, etwa im bayerischen Unterhaching und im brandenburgischen Groß-Schönebeck.