Der Arbeiterfreund, den die Gegner fürchten

Dick Gephardt will zum zweiten Mal US-Präsident werden. So schlecht seine Chancen sind – sie sind besser als 1988

Dick Gephardt muss an die positive Kraft von Niederlagen glauben. Mit ihm verhält es sich wie mit dem Trainer einer Fußballmannschaft, der bereits vergeblich Nationaltrainer werden wollte, danach viermal in Folge die Meisterschaft vergeigte und immer noch davon überzeugt ist, dies würde ihn für den Posten als Teamchef qualifizieren.

Vor 15 Jahren, bei den Präsidentschaftswahlen 1988, trat der Demokrat schon einmal an – und gab bald aus Geldmangel auf. Auch seine Zeit als Oppositionschef im US-Abgeordnetenhaus war nicht von Erfolg gekrönt. Unter ihm verloren die Demokraten von 1994 bis 2002 alle Wahlen. Trotz des Verlierer-Images hat sich der Mann mit der Ausstrahlung eines Versicherungsvertreters zum Geheimfavoriten entwickelt.

Die Medien ließen den 62-Jährigen aus Missouri lange links liegen. Der Exparlamentarier nutzte sein Schattendasein, um beharrlich für sich zu werben. Fleißig sammelte er Spenden und sicherte sich die Unterstützung einflussreicher Gewerkschaften. Bei TV-Duellen erhielt er dank sachkompetenter Auftritte überraschend gute Noten. Im Bundesstaat Iowa, wo Anfang Januar die ersten Vorwahlen stattfinden, liefert er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Howard Dean, dem stärksten Kontrahenten.

Die Washington Post enthüllte gerade, dass die Parteistrategen der Republikaner mittlerweile keinen Anwärter mehr fürchten als Gephardt. Der Demokrat verteidigt bis heute seine Unterschrift unter die Irakkriegsresolution des Kongresses. Dadurch ist er immun gegen Angriffe der Konservativen und kann seine Energie auf innenpolitische Themen konzentrieren. Der Gewerkschaftsfreund und Nafta-Gegner konnte in den von Arbeitslosigkeit hart getroffenen Industrieregionen zwischen Chicago, Detroit und St. Louis punkten, indem er weltweite Mindestlöhne und Arbeits- und Umweltstandards fordert.

Kein Thema beherrscht Gephardts Wahlkampf jedoch so sehr wie die Pläne für eine staatlich subventionierte Krankenversicherung für alle 41 Millionen unversicherten Amerikaner. Die dafür notwendigen Milliarden will er durch die Rücknahme von Bushs massiver Steuersenkung finanzieren. Sein eigenes Familienschicksal – sein Sohn litt jahrelang an Krebs und überlebte nur dank aufwändiger Behandlung – hat ihn zum vehementesten Verfechter dieser für US-Verhältnisse revolutionären Idee gemacht.

Trotz des neuen Interesses ist fraglich, ob Gephardt die demokratische Partei hinter sich scharen kann. Sein Schmusekurs mit Bush im Vorfeld der Irakinvasion ließ die Demokraten zu einer blutarmen Opposition verkommen. In Iowa, der Kriegsgegner-Hochburg des Mittleren Westens, wird sich zeigen, ob die Wähler ihn für seine avisierten Sozialreformen belohnen oder für die Kriegspolitik bestrafen. Nur ein Sieg rettet ihn vor dem politischen Aus – das diesmal wohl ein endgültiges wäre.

MICHAEL STRECK