: Bauchschmerzen oder Geschwür
CDU-Mehrheit beschließt hochumstrittenes Kita-Einführungsgesetz. Rot-grüne Opposition stimmt dagegen. Protestregen von der Besuchertribüne
Es schneite. Mitten in der Bürgerschaft. Gerade als Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) dabei war, ihr Einführungsgesetz zum Kinderbetreuungsgesetz (EGKiBeG) zu verteidigen, segelten von der Besuchertribüne papierene Schneeflocken ins Plenum. „Wahlaussagen der CDU: Schnee von gestern“, stand da drauf.
Kurz darauf verabschiedete die Bürgerschaft mit CDU-Mehreit und 61 zu 56 Stimmen das Gesetz, mit dem der Senat „die Finanzierbarkeit und Verlässlichkeit der Kinderbetreuung in Hamburg“ sichern will. Das Gesetz sei „eine Art Vorsichtsmaßnahme, falls es nicht zu vertraglichen Vereinbarungen mit den Trägern der Kindergärten komme“, so die Sozialbehörde.
„Dieses Gesetz ist eine Anleitung zur Erpressung der Anbieter von Kinderbetreuung in Hamburg“, hatte SPD-Kita-Expertin Andrea Hilgers der Sozialsenatorin zuvor vorgeworfen. Die vollmundigen Versprechen Bürgermeister Ole von Beusts gegenüber der Initiative „Mehr Zeit für Kinder“ hätten „leider nur die Haltbarkeit von frischer Vollmilch“ gehabt, schimpfte Hilgers. 70 bis 90 Millionen Euro wolle die Senatorin im Kita-Etat strukturell sparen, gleichzeitig würden vom kommenden Jahr rund 5.000 Kinder mehr zu betreuen sein, rechnete Hilgers vor. Das bedeute: „Mehr Kinder in der Gruppe, weniger Betreuungspersonal, weniger Platz.“
„Es geht um das finanzielle Überleben dieser Stadt“, entgegnete Marcus Weinberg von der CDU und sah Hamburg vor die Alternative gestellt, „Bauchschmerzen oder ein dauerhaftes Magengeschwür“ zu haben. Die CDU wolle, dass die Kinderbetreuung langfristig finanzierbar bleibe. Und „Rechtsunsicherheit“ werde jetzt durch das Gesetz aufgehoben.
GALierin Christiane Blömeke warf dem Senat „Chaos in der Kita-Politik“ vor. Das neue Gesetz berge „ein Maximum an Rechtsunsicherheit“ und reduziere die Kinderbetreuung „auf Naseputzen“. Die CDU-Regierung habe dafür gesorgt, „dass die Kindertagesbetreuung nicht nur an die Wand, sondern bis in den tiefsten Keller gefahren wird“.
Die Sozialsenatorin verteidigte ihr Gesetz, das vor allem „zur Vermeidung unkalkulierbarer Haushaltsrisiken“ benötigt werde. Man wolle bei der Kinderbetreuung „langfristig durchhalten, auch wenn die Nachfrage einmal anders sein sollte“, sagte Schnieber-Jastram. Allerdings sei „die Zeit, in der die beste Sozialpolitik die war, immer mehr Stellen zu schaffen und immer mehr Geld auszugeben, vorbei“.
Nach taz-Informationen hatte es bei den Verhandlungen zwischen Sozialbehörde und Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege am Vormittag nicht das erwartete neue Angebot des Senats gegeben. Die nächste Gesprächsrunde soll erst am 5. November stattfinden. Markus Jox/Kaija Kutter