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Archiv-Artikel

Links und antideutsch

Das Kaninchen frisst die Schlange: Am Sonntag feiert man im Polittbüro 30 Jahre „Konkret“.Für die Zeitschrift von Hermann L. Gremliza steht der Hauptfeind immer noch im eigenen Land

von Gaston Kirsche

„Der Dank des Herausgebers ist so gewiss wie der Undank des Vaterlandes.“ So wirbt eine in Bahrenfeld hergestellte Zeitschrift dafür, als Kommanditist sein Geld bei ihr anzulegen. Das „spart Steuern, hält also die Regierung finanziell kurz, finanziert nichts als Aufklärung und, sagt der Herausgeber, wirft Deutschland zurück.“

Wer da als „der Herausgeber“ von sich selber spricht, Hermann L. Gremliza, bringt so auf den Punkt, wofür die Monatszeitschrift Konkret steht: Aufklärung statt Deutschland. Seit 30 Jahren wird Konkret von Gremliza herausgegeben, der sich als Kommunist mit Erfolg darum bemüht, Karl Liebknechts Credo Recht zu geben, dass der Hauptfeind im eigenen Land steht: der deutsche Imperialismus.

Als 1989 viele Linke und Grüne gegenüber der nationalen Besoffenheit einknickten und nach dem Zusammenbruch der DDR das größer gewordene Deutschland für total friedlich, voll antifaschistisch und irgendwie richtig authentisch zivilisiert hielten, wandte sich Gremliza wie nur wenige andere radikale Linke angewidert ab. Das nationale Coming Out der Deutschen und ein gewalttätiger Rassismus gingen für ihn zusammen. Der Zusammenbruch der Sowjetunion wurde als Sieg des Kapitals beschrieben, als Vorzeichen des Siegeszuges sozialer Ungleichheit.

In Konkret wurden linke Gewissheiten hinterfragt, und die Domestizierung der Grünen wurde ebenso gnadenlos angeprangert wie die Deutschtümelei und Bravheit der PDS. Solche Radikatlität hat nicht nur mit dem linken Blick zu tun, den die Zeitschrift pflegt – sie ist auch eine Frage des Stils. Die klare Sprache Gremlizas war stilbildend, seine monatliche Kolumne ist oft das Beste, was an linker Kritik zu einem aktuellen Thema vorgebracht wird. Sie wird von den LeserInnen goutiert, welche der Zeitschrift zu einer ähnlich hohen Auflage wie der Satirezeitschrift Titanic verhelfen: 70.000 Exemplare.

Konkret ist dabei alles andere als ein Parteiorgan – zumal es keine radikal linke Partei gibt, die antideutsch wäre. Antideutsch, das bedeutet für Konkret, „im Haus des Henkers vom Strick zu sprechen“ (Adorno) statt vom Nationalsozialismus und der Mitwirkung der Mehrheit des deutschen Volkes zu schweigen. Es bedeutet, sich vehement gegen jeden Antisemitismus zu wenden, auch den der Linken.

Ungewöhnlich für eine linke Publikation ist der große Kulturteil. Zwar nimmt die Politik immer ein paar Seiten mehr, aber ebenso typisch für Konkret sind mehrseitige Texte über Kunstausstellungen oder SchriftstellerInnen. In der ab heute am Kiosk erhältlichen Novemberausgabe wird die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek mit gleich zwei Artikeln gewürdigt. Zur Debatte um eine Mindestquote für deutsche Musik im Radio heißt es: „In der Sache sind sich rotgrüne Spitzenpolitiker und Rechtsradikale einig: amerikanische Massenkultur zurückdrängen, nationale Produktion stärken, ‚kulturelle Identität‘ bewahren.“

Zur Feier von 30 Jahren Konkret treten im Polittbüro AutorInnen, befreundete Schriftsteller und Sänger auf, darunter Thomas Ebermann, Lisa Politt und Gerhard Henschel. Auch Ernst Kahl, der Zeichner des Konkret-Titelbildes, auf dem ein Kaninchen cool eine Schlange totbeißt, wird da sein.

Sonntag 20 Uhr, Polittbüro