: „Metaware zum Thema Stalingrad“
Der vernichtende Niederlage der 6. Armee der Wehrmacht in der Sowjetunion liegt mehr als 60 Jahre zurück.Das deutsch-russische Museum in Karlshorst widmet nun dem Gedenken an die Schlacht eine Ausstellung
„Der Roman ,Der Arzt von Stalingrad‘ bietet einen sehr guten Eindruck, wie es den deutschen Kriegsgefangenen in Russland ging“, schreibt „flopdeslebens“, Kundenrezensent bei Amazon. Da hat das Buch 5 goldene Sterne – Bestbewertung. Heinz G. Konsalik hat es 1956 geschrieben. Heyne verlegt es jetzt bereits zum 18. Mal.
Es ist eines der Exponate in der Ausstellung „Stalingrad erinnern“, die gestern im deutsch-russischen Museum eröffnet wurde. Die Schlacht, bei der die Wehrmacht eine ihrer größten Niederlagen erlebte, ist wissenschaftlich zwar breit dokumentiert – gedacht und erinnert wird aber nach anderen Spielregeln.
Das Museum widmet sich mit dieser Ausstellung dem populären Gedenken und zeigt Erinnerungsproduktion aus 60 Jahren: Filme, Fotos, Texte, Schlagzeilen aus der Sowjetunion, dem heutigen Russland, und beiden deutschen Staaten. Allein in Stalingrad, heute Wolgograd, kann man 400 Gedenkorte besuchen. Das berühmteste Denkmal ragt 85 Meter in die Höhe: Die „Mutter Heimat“ war trotz monumentaler Größe vielen russischen Generälen aber zu mädchenhaft. Schließlich hatte man eine Schlacht gewonnen. Im Museum ist die Skulptur auf einem großen Foto zu sehen. Ein winziger Mensch hängt daran und reinigt ihren Hals. Auch großes Gedenken muss gepflegt werden.
In der Bundesrepublik baute man keine Monumente. „Verlorene Siege“ heißen die Kriegserinnerungen des Oberfeldmarschalls von Manstein. Ein Buch, in dem er 1955 darlegte, dass seine Heeresgruppe 1943 nicht siegen konnte, weil Hitler „dilettantisch“ in das Geschehen eingegriffen habe. In „Kriegserinnerungen“, die als solche für Authentizität bürgen sollten, gerierten sich Deutsche als „Opfer“ einer unfähigen Nazi–Heeresleitung. Im Zuge eines unter Totalitarismusächtung firmierenden Antikommunismus vor allem aber: als Opfer Stalins.
Seit 50 Jahren lassen sich Kriegsabenteuer „einfacher“ Soldaten auf billigstem Papier nachlesen: Sie heißen „Flammen über Stalingrad“ und „Stalingrad. Wie es wirklich war“. Den Krieg beschrieben die „Landser“ als Abenteuer, in dem Untergang und Heldentum immer nahe beieinander liegen.
Das macht wohl auch die Bedeutsamkeit von Stalingrad in der deutschen Wahrnehmung aus: Die Dramaturgie: der Sieg schien „greifbar nah“, als sich das „Schicksal“ wendete und man selbst „die Leiden des Verlierers durchleben“ musste, erklärt Museumsleiter Peter Jahn. Das ist zweifellos Stoff für populäre Erzählungen. Stoff für einen Mann wie Konsalik eben. In seiner Stalingrad-Prosa treffen deutsche Helden auf slawische „Sklavenseelen“, die „wie Ameisen, erdbraun gefärbt, aus ihren Löchern und Bunkern […] krochen“. Das hat die Abenteuerfreunde damals wie heute wenig gestört.
„Die Medienbilder werden in letzter Zeit immer beliebiger“, bemerkt Jahn zu den neueren Exponaten. Den russischen „Jubiläumswodka“ zum Sechzigsten verschönert das Antlitz Stalins. „Wir hatten schon viele Anrufe“, sagt Jahn. Von Leuten, die Wodka kaufen wollen. „Wir zeigen nur Metaware zum Thema Stalingrad“, erklärt Jahn Journalisten, die ihn zu geschichtlichen Daten befragen wollen. Der Unterschied zwischen Erinnerungskultur und historischer Ereignisforschung scheint manchmal eben etwas unklar.
GRIT EGGERICHS