: Nachsitzen im Kosovo
Stimmzettel der Parlamentswahlen sollen erneut ausgezählt werden. Serbisch-orthodoxe Kirche fordert neuen Wahlgang für Angehörige der serbischen Minderheit
SPLIT taz ■ Nach Protesten aus verschiedenen Parteien müssen die 660.000 Stimmzettel der Parlamentswahl in Kosovo vom 23. Oktober noch einmal ausgezählt werden. Das hat die Wahlkommission in Prishtina entschieden. Sie reagierte damit zunächst auf Behauptungen der „Demokratischen Liga Kosova“ (LDK) des amtierenden Präsidenten Ibrahim Rugova, seine Partei habe in Wirklichkeit zwischen 48 und 50 Prozent der Stimmen erhalten. Das vorläufige offizielle Endergebnis hatte den LDK-Anteil auf 45 Prozent beziffert. Die Wahlbeteiligung lag bei 53 Prozent.
Doch nun wollen auch andere Parteien die Nachzählung, denn es kam heraus, dass mehr als 1.000 Stimmen falsch ausgezählt wurden. Überraschenderweise forderte zudem der orthodoxe Bischof Artemije jetzt eine neue Wahl für die serbischen Wähler, die auf sein Betreiben hin die Wahlen vor einer Woche boykottiert hatten. Eine Beteiligung bedeute „kollektiven Selbstmord“ für die serbische Minorität, hatte Artemije damals erklärt. Langsam sei es den serbischen Nationalisten aufgefallen, dass die Wahl einen entscheidenden Charakter für Kosovos Zukunft habe und sie sich selbst ins Abseits stellten, hieß es aus diplomatischen Kreisen in Kosovo.
Denn das neue Parlament soll die Verhandlungen über eine Neubestimmung des Status des Kosovo führen. Nach der Resolution 1244 des UN-Weltsicherheitsrats gehört die Provinz zwar immer noch zu Jugoslawien beziehungsweise dem Nachfolgestaat Serbien-Montenegro, wird aber seit 1999 von der UN verwaltet. Die albanische Mehrheitsbevölkerung fordert die staatliche Unabhängigkeit Kosovos, die Serben dagegen wollen die Provinz wieder an Serbien anschließen.
Nach der Wahl hatte die UN-Verwaltung betont, dass die von lediglich etwas mehr als 1.000 Serben gewählten serbischen Vertreter im Parlament die „legitimierten Vertreter der serbischen Bevölkerung im Kosovo“ seien.
Unabhängig von diesen Scharmützeln gehen die Verhandlungen über die Bildung einer neuen Koalitionsregierung weiter. Die internationale Gemeinschaft wünscht, die bisherige Koalition aus LDK und den Nachfolgeparteien der ehemaligen Widerstandsbewegung UÇK aufrechtzuerhalten.
In der zweitstärksten Partei, der „Demokratischen Partei Kosova“ (PdK), die bei den Wahlen 28 Prozent der Stimmen erhielt und bisher den Premierminister stellte, findet offenbar ein Machtkampf statt. Der bisher im Hintergrund wirkende Hashim Thaci möchte selbst Premierminister werden und seinen Parteifreund Bejram Rexhepi von diesem Posten ablösen.
ERICH RATHFELDER