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Archiv-Artikel

Müllers Bananenschloss

Der große Blonde mit der Kamera und sein Traum. Thomas Müller hat auf Gomera eine alte Bananenverladestation entdeckt, renoviert und ein Kulturzentrum daraus gemacht

VON NICOL SCHMIDT

Der Wind pfeift. Schwarzgraue, zerklüftete Basaltfelsen bauen sich auf wie senkrechte Mauern. Meterhoch schlagen die Wellen dagegen. Gischt spritzt. So stellt man sich das Ende der Welt vor. Dabei war Thomas Müller mit seinen Gästen gerade noch ein palmenbestandenes Tal hinaufgefahren. Sie streiften grüne Terrassenlandschaften an den Flanken gewaltiger Vulkanschlote, stille Ortschaften mit weiß getünchten Häusern. Dann bog er am nördlichsten Zipfel der kleinen Insel ab auf eine Holperpiste an der Küste. Und plötzlich toben hier die Urgewalten. Aber da, ganz vorne an Rand einer Klippe, steht unbehelligt wie ein Fels in der Brandung eine steinerne Burg. „Meine Piratenburg, mein Kindheitstraum, mein Abenteuerspielplatz, mein Schicksal“, schwärmt der Darmstädter Thomas Müller.

Was für eine Begeisterung, nach 28 Jahren noch. Ganz zufällig hat der große Blonde damals, im Urlaub auf La Gomera mit Rucksack und Kamera, die alte Bananenverladestation entdeckt. Da war er 23 und das einst trutzige Bauwerk nicht viel mehr als ein Steinhaufen. In seiner Fantasie aber stand die 1890 erbaute Hafenanlage wieder auf. Einer wehrhaften Burg ähnlich. Nur wenig später gab der Hesse seinen Job als Stadtplaner am Darmstädter Institut für Wohn- und Umwelt auf und kam zurück.

Die kleine Kanareninsel wirkte auf ihn wie ein Magnet. Es war ihr ganz besonderes Licht, nach dem er süchtig wurde. „Außerdem findest du hier alle Landschaften: Dschungel, Wüste, den Atlantik, kannst auf Berge kraxeln und mit Delfinen reiten, es gibt alte koloniale Architektur wie in Agulo.“ Und er war besessen von dem Wunsch, die in den 50er Jahren stillgelegte Burg im Meer vor dem endgültigen Verfall zu retten. Also sprach Thomas Müller beim damaligen Besitzer vor, legte dem verdutzten Mann umgerechnet 3.000 Euro auf den Tisch. Es dauerte allerdings 20 Jahre, bis die Inselregierung den einzigen Landzugang, die zugeschüttete Küstenstraße, wieder herrichtete. Zeit genug für den Macher Müller, ein Vermögen zu verdienen. Er fotografierte alle und alles – gefühlvolle Bilder von den Menschen und Landschaften La Gomeras. Und wurde der Inselfotograf, genannt „El Fotografo“. Sämtliche Postkarten, die es auf La Gomera zu kaufen gibt, sind seine Motive. Dann kamen noch Bildbände, Inselführer, ein paar Immobiliengeschäfte dazu.

„Alles, was ich hatte“, steckte der Einwanderer in die Renovierung. Und ein paar Bankkredite noch dazu. „Es waren mehrere Millionen.“ Fast ist sein Castillo del Mar vollendet. Es ist ein Begegnungs- und Kulturzentrum vom Feinsten, das eine dramatische Kulisse für Discovollmondnächte und einen Kunstmarkt bietet. Im zinnengekrönten Turm können Gäste in einer Honeymoonsuite übernachten, im neuen Restaurant meerumspült speisen. Allerdings fehlen genug zahlende Besucher, die den serpentinenreichen Weg hierher finden. „Die kommen schon. Mit den richtigen Zugpferden. Warum nicht Andreas Vollenweider oder Santana?“, greift Müller nach den Sternen.

So kann nur ein Romantiker und Idealist reden. „Das Castillo bedeutet mir mehr als alles Geld auf der Welt.“ Was hat er sich nicht alles als Unterstützungstöpfe einfallen lassen. „Banano brut“, einem Bananenprosecco. Hunderte von Flaschen ließ er schon produzieren. Janosch, ein Freund, entwarf das Etikett. „Alles war im Nu weg.“ Doch es fehlt der Investor, der im großen Stil einsteigt. Oder Bananenchips, die er versuchsweise selber herstellte. „Die Trocknungsanlage habe ich für 1.000 Euro von einer bankrotten Firma aus Darmstadt geholt.“ Oder das neu eröffnete Apartment-Hotel Gomera-Lounge im Valle Gran Rey mit Wellness-Bereich . Das Castillo verschlingt trotzdem mehr, als jemals gedacht. Vor einem halben Jahr ging auch noch das Aggregat kaputt, das eh schon irre teuren Strom produziert. Das Castillo blieb bis zum Jahresende zu. Hilfe erhielt Müller nicht. „Den Antrag auf Vernetzung stellten wir schon vor Jahren. Doch die Küstenregierung gibt kein Okay.“ Er vermutet: Weil das Castillo dermaßen schön im hochsensiblen Küstenbereich liegt „weckt das beim Küstenamt Begehrlichkeiten, es sich einzuverleiben“.

Aber Müller gibt nicht auf. Er hat einen aufs Küstenrecht spezialisierten Rechtsanwalt eingeschaltet, schreibt an Bundestagsabgeordnete, spricht mit jedem, den er trifft, fast nur noch über dieses Thema. Und wenn der deutsche Abenteurer endlich sein Ziel erreicht hat, ist er dann wahrscheinlich 80 und wird das Castillo, so lautet der Vertrag, sowieso an die Insel zurückgeben müssen. Das sei völlig in Ordnung. Dann werde er mit Kamera und Rucksack wieder zurück nach Darmstadt gehen – in die Maulbeerallee, wo er von den Eltern ein zauberhaftes Grundstück mit Holzhäuschen geerbt hat. „Aber es hat mir wenigstens großen Spaß gemacht.“

Castillo del Mar, Parque Marítimo, 38840 Vallehermoso, Tel. +349 22 80 04 97, www.castillo-del-mar.com, www.gomeralounge.de, Tel. +349 22 80 51 95