Deutsche Frauen korfen besser

Beim Korfball spielen Frauen und Männer zusammen. Anfassen ist streng verboten. In Duisburg findet gerade die Weltmeisterschaft der Junioren statt

Korfball soll helfen, bei Kindern sexistische Vorurteile abzubauen

AUS DUISBURGROLAND LEROI

Antje Elverich lässt sich von Hektik nicht anstecken. Selbst als es beim Spiel gegen die Belgier aufgebrachter zuging, behielt die junge Frau aus Castrop-Rauxel ihre Contenance: „Für die Emotionen sind bei uns die Männer zuständig, wir Frauen bilden eher den ruhenden Pol“, weiß sie – und Elverich muss es wissen. Sie ist Spielführerin der U 23-Nationalmannschaft im Korfball, dem einzigen Mannschaftssport, den Frauen und Männer gemeinsam spielen. „Die Rollen sind halt klar verteilt“, schmunzelt sie.

Doch am Sonntag fiel es der 22-Jährigen etwas schwerer, die Ruhe zu bewahren. Die Partie gegen die Belgier war zugleich die Eröffnung der U 23-Weltmeisterschaft, die in diesen Tagen in Duisburg-Rheinhausen ausgetragen wird. „Da geht es um eine Menge“, sagt Elverich, die 9:23-Niederlage konnte sie allerdings verschmerzen. Belgien zählt neben den Niederlanden zu den Favoriten auf den Welttitel. „Das ist eine andere Welt. Da sind alle anderen Nationen krasser Außenseiter“, sagt auch Klaus-Peter Hermann, gemeinsam mit Cheftrainer Martin Boschma betreut er das deutsche Team.

Während in den Niederlanden etwa 100.000 Menschen in Korfball spielen, steckt der Sport hierzulande in den Kinderschuhen. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, meint Udo Schade, der für die International Korfball Federation (IKF) arbeitet. 44 Klubs mit etwa 2.500 Aktiven gibt es in Deutschland – beim Schulsport wird hingegen immer häufiger Korfball gespielt. „Kinder lernen schnell, worum es bei uns geht“, weiß Schade. Im Auftrag der IKF bereist er Grundschulen. Eine Doppelstunde reiche da oft aus, um alles fachgerecht zu vermitteln.

Beim Korfball „wird das Zusammenspiel zwischen den Geschlechtern optimal gefördert“, sagt der 44-jährige Schade und setzt auf den Geist der Koedukation. Und genau deshalb wurde Korfball auch vor über 100 Jahren von niederländischen Sportlehrern kreiert. Laut IKF-Satzung soll der Sport helfen, „bei Kindern sexistische Vorurteile abzubauen, Vorbehalte von Mädchen und Frauen gegenüber Ballsportarten zu kompensieren und soziale Komponenten wie Rücksichtnahme, Fairness, Teamfähigkeit und Toleranz positiv zu verstärken.“

Antje Elverich stimmt dem zu: „Im Schulsport stimmt das, Mädchen stehen gewöhnlich nur dumm in der Ecke, wenn die Jungs Fußball spielen“. Selbst spielt die Castrop-Rauxelerin aber vor allen Dingen, „weil es mir Spaß macht.“ Die hauptberufliche Dortmunder Stadt-Inspektorin trainiert drei Mal wöchentlich, mit dem TV Adler Castrop konnte sie schon einige Titel gewinnen: „In anderen Sportarten wäre mir das wahrscheinlich nicht gelungen“.

Elverich will ihren Sport aber nicht nur auf bloße Titel reduzieren. „Durch das Zusammenspiel zwischen Jungen und Mädchen entstehen echte Freundschaften“, sagt die Leistungssportlerin. Nur oberflächlich gleicht Korfball dem nur theoretisch körperlosen Basketball. Im Korfball sind sämtliche Berührungen verboten, anfassen gilt nicht. Jedes Team besteht aus je vier Männern und Frauen. Während der ballführende Akteur weder dribbeln noch laufen darf, versuchen die Mitstreiter anspielbereit zu sei. Letztlich soll der Ball in einem 3,50 Meter hohen Rattankorb versenkt werden. „Das ist Dynamik pur und schlaucht enorm“, sagt Elverich. Um Benachteiligungen zu vermeiden, dürfen sich nur die Gegner des gleichen Geschlechts gegenseitig blocken. „Das geht alles völlig gewaltfrei ab“, betont Bundestrainer Schade.

Weil das Spiel ohne Ball so wichtig ist, geht es beim Korfball ziemlich taktisch zu: „Jede Ballabgabe muss im Vorfeld geplant werden“, erklärt Elverich. Blitzschnell muss dabei auch die anatomische Rollenverteilung berücksichtigt werden. „Männer werfen höher und weiter als Frauen“, erklärt Elverich – doch deshalb stehen Frauen nicht in der Ecke, wenn die Jungs am Ball sind: „Frauen sind für die Taktik verantwortlich. Wir bekommen das meist besser hin“.

Ihr Team-Kollege André Heppner mag das neidlos bestätigen. „Die Mädchen sind für uns unverzichtbar“, sagt der 23-jährige Sportler, denn deutsche Frauen korfen besser. „Unsere Damen können sich an guten Tagen mit der Weltspitze vergleichen“, meint Heppner, der für den HKC Albatros Castrop-Rauxel aufläuft. Dass man Belgien und der Niederlande unterliege, habe im schwachen Niveau des männlichen Geschlechts seinen Ursprung. „Deshalb gibt es für uns Jungs mehr Vor- als Nachteile, wenn wir mit den Mädchen zusammen spielen“, sagt Heppner und freut sich, dass bei Mannschafts-Partys die Frauen dabei sind:„Das hebt die Stimmung.“

Trotz der Auftakt-Niederlage gegen Belgien will man in Duisburg ein paar Erfolge feiern. „Das kleine Finale ist für uns drin“, hofft Elverich, wenn alles nach Plan laufe, steigt am Donnerstag gegen Tschechien das Match um den Halbfinal-Einzug. „Wir sollten unseren Heimvorteil nutzen“, hofft die Spielführerin.

In der Halle an der Krefelder Straße, sonst spielen hier die Oberliga-Handballer des OSC Rheinhausen, war die Stimmung jedenfalls WM-tauglich. Schülerinnen und Schüler füllten die Ränge, am Eröffnungstag waren insgesamt 1.100 Zuschauer dabei. „Fast schon Verhältnisse wie in Holland“, sagte Boschma, der aus den Niederlanden stammt. Dort ist Korfball ein echter Renner, am Wochenende kamen bereits zwei Busse aus Holland nach Duisburg. Die Belgier zeigten sich noch zurückhaltend, haben sich aber zum Finale am kommenden Sonntag mit 300 Zuschauern angekündigt. „Unsere Fans gehen vom Finaleinzug aus“, sagt der belgische Delegierte Eddy van Hoof, und fiebert einem Endspiel gegen den alten Rivalen aus Holland entgegen.

Der Gastgeber wird kaum zwischen funken können. Auch wenn Boschma im Turnier auf das Konzept des „ökonomischen Korfballs“ setzt: „Wir legen den Schwerpunkt nicht auf die Athletik, sondern auf unser gutes Auge bei den Abspielen“. Dadurch soll Kraft für die „entscheidenden Momente“ gespart werden.

Eine gute Harmonie im Team kann Boschma voraussetzen. Das Gros seines Kaders kommt aus Castrop-Rauxel. Durch eine Partnerschaft mit dem niederländischen Delft wurde die Ruhrgebiets-Stadt gewissermaßen zur deutschen Korfball-Hochburg. Udo Schade ist guter Dinge, dass dieser Radius künftig auch auf Duisburg ausgeweitet wird: „Als Korfball 1989 bei den World Games in Karlsruhe präsentiert wurde, gründeten sich in der Region auch viele neue Vereine“.

Die World Games 2005, die Weltspiele der nicht-olympischen Sportarte,n sind auch jetzt ein wichtiges Thema. Die U 23-WM gilt dabei als Pre-Event des Sportfestivals, das vom 14. bis 24. Juli 2005 in Duisburg sowie den Partnerstädten Bottrop, Mülheim/Ruhr sowie Oberhausen ausgetragen wird. „Die Holländer werden zu Tausenden nach Rheinhausen kommen“, glaubt Boschma. Für Sportarten wie Korfball seien die Trendsportspiele der Höhepunkt. „Die WM ist nur ein Appetithappen für den kommenden Juli“, freut sich Elverich, die auch im Senioren-Nationalteam steht und für die World Games schon jetzt Urlaub eingereicht hat.

Dann werden sie die pädagogischen Aspekte nur am Rande interessieren: „Wir wollen eine Medaille und den Leuten etwas bieten“, sagt sie, so selbstbewusst wie ruhig. Für die Hektik sind ihre männlichen Teamkollegen verantwortlich: „Auch wenn wir keinen echten Geschlechterkampf führen, die Rollen sollten ja verteilt sein.“