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Archiv-Artikel

Russisch ist neu auf dem Wahlzettel

Die russische Sprache eint viele Kölner Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Um sie bemühen sich mehrere Gruppierungen bei der Wahl des neuen Integrationsrates, die bis zum 21. November per Briefwahl stattfindet

Köln taz ■ Viele Listen auf dem Wahlzettel für den Kölner Integrationsrat sind alte Bekannte. Neu sind allerdings die Bewerber mit russischer Staatsangehörigkeit. Listen wie „Phoenix – Bündnis für Integration“ und „Forum“ umwerben aber nicht nur Menschen mit russischem Pass: „Wir wenden uns an alle russischsprachigen Zuwanderer aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion,“ erklärt Phoenix-Sprecher Viktor Ostrowski. „Von außen werden diese Menschen oft einfach als ,Russen‘ bezeichnet.“ Die russische Sprache eint Zuwanderer mit unterschiedlichem Rechtsstatus wie jüdische Kontingentflüchtlinge oder Spätaussiedler. Das Stimmpotenzial der russischsprachigen Kölner schätzt die russisch- und deutschsprachige Zeitung PHOENIX auf 40.000.

Die Liste „Phoenix“ ist aus dem gleichnamigen Verein in Köln-Ehrenfeld hervorgegangen, der 600 Mitglieder zählt und seit einem Jahr als Kultur- und Integrationszentrum arbeitet. Neben Kulturveranstaltungen bietet er Hilfe bei Wohnungs- und Arbeitssuche und Problemen mit Behörden an. Geschäftsführer Viktor Ostrowski nennt die Integrationsprobleme seiner Klientel: „Oft haben sie keine Sprachkenntnisse und kennen die Spielregeln in Gesellschaft und Arbeitsmarkt nicht.“ Im Integrationsrat will Ostrowski mit Hilfe des Vereins bei der Arbeits- und Wohnungssuche russischsprachiger Zuwanderer helfen. Kontakte zum Kölner JobCenter und Wohnungsgenossenschaften hat er bereits aufgebaut.

Die Liste „Forum“ möchte die Anerkennung von Diplomen, Studien- und Arbeitszeugnissen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion erreichen. Deren Nichtanerkennung sei ein wesentliches Hindernis bei der Arbeitssuche russischsprachiger Migranten. Paul Jusowizki und Aleksandrs Groznijs von Forum möchten den vielfach gut ausgebildeten Zuwanderern durch Praktika den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtern. Im Integrationsrat würden sie sich dafür gerne mit Vertretern größerer Firmen zusammensetzen: „So kann man wenigstens dafür sorgen, dass auch ein 40-jähriger ein Praktikum bekommt, damit er sich später für einen richtigen Job bewerben kann.“

Sorge macht Groznijs nicht nur die Isolation von Kindern und Jugendlichen, sondern auch von Senioren mit Migrationshintergrund. „Ein großes Problem ist, dass sie durch ihre Unkenntnis der deutschen Sprache nicht alle Möglichkeiten der Gesellschaft nutzen können. Sie haben Angst, irgendwo hinzugehen und sich Hilfe zu holen.“ Groznijs will konkrete Hilfe initiieren, die Senioren aber auch in Projekte einbinden. „Wir denken über einen Kindergarten nach, wo die Senioren bei der Betreuung helfen. Sie könnten mit den Kindern essen, Schachspielen, ins Kino oder eine Bibliothek gehen.“

Er und Jusowizki wünschen sich eine Bibliothek, die nicht nur Medien auf Russisch, sondern auch in Deutsch, Türkisch und anderen Sprachen bereithält. „Die Kinder agieren dann nicht in Zellen abgeteilt, sondern als gleichaltrige Gruppen, wo sie miteinander reden, ihre Zeit gemeinsam verbringen und nicht allein zu Hause sitzen. Gerade junge Ausländer sollten sich nicht nur in ihren heimatlichen Sprachgruppen sammeln, wo sie weder zu Deutschen, noch zu anderen Ausländern Kontakt aufbauen.“ Julia Zogel