piwik no script img

Archiv-Artikel

Bosnische Soldaten an die irakische Front

Eine baldige Truppenentsendung scheint so gut wiesicher. Dahinter steht der Druck der USA auf Sarajevo

SARAJEVO taz ■ Jetzt wollen auch die Bosnier Soldaten in den Irak schicken. Zwar ist die parlamentarische Beratung noch nicht abgeschlossen, doch nach Informationen aus Regierungskreisen in Sarajevo scheint der Einsatz eines Kontingents von rund 60 bosnischen Soldaten sicher zu sein. Die endgültige Entscheidung soll Mitte Dezember fallen.

Käme es zu dem Einsatz, dann wären erstmals Soldaten islamischen Glaubens als Kontingent bei der „Koalition der Willigen“ im Einsatz. Zwar gibt es schon bisher Muslime bei den Besatzungstruppen im Irak, so in der US-Armee, in einem Kontingent aus Kasachstan, möglicherweise auch unter den Soldaten der Philippinen und unter den 100 Albanern, die im Irak eingesetzt sind. Doch islamische Staaten und die Türkei haben sich bisher geweigert, im Irak militärische Verantwortung zu übernehmen.

Militärisch wäre der Einsatz der Bosnier unbedeutend, symbolisch aber durchaus eine Tür für andere geöffnet. Zwar wäre die bosnische Truppe gemischt, denn es wären auch Katholiken und Orthodoxe beteiligt, doch in den arabischen Ländern sind die bosnischen Muslime populär und im Gegensatz zu den weitgehend atheistischen Albanern als Glaubensbrüder anerkannt.

So musste das muslimische Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums, Sulejman Tihić, letzte Woche den Botschaftern der islamischen Staaten Rede und Antwort stehen, um grünes Licht für den Einsatz der Bosnier im Irak zu erhalten. Denn, so der Tenor, man verstehe die „politischen und wirtschaftlichen Gründe“ für die Entscheidung. Die bestehen vor allem im Druck der USA. Die USA wollen die „Koalition der Willigen“ verbreitern. Schon in Bezug auf den Internationalen Gerichtshof in Den Haag versuchten die USA, die Staaten Südosteuropas auf ihre Linie zu verpflichten, und forderten so eine Reaktion der EU heraus. Slowenien und Kroatien gaben dem Druck nicht nach, Bosnien und Herzegowina musste einen Kompromiss eingehen und den amerikanischen Wünschen entgegenkommen.

Dass kurz vor der Entscheidung, Truppen in den Irak zu entsenden, die USA mit einem Abzug ihrer Truppen aus Bosnien und Herzegowina drohten, scheint kein Zufall zu sein, auch wenn offizielle Stellen das leugnen. Flugs boten die Bosnier günstige Bedingungen für den Verbleib der US-Truppen im Raum Tuzla an. Die bosnisch-muslimische Mehrheitsbevölkerung lehnte zwar den Krieg im Irak ab, doch unvergessen ist die US-Hilfe im bosnischen Krieg. Zögen die USA ihre Truppen aus Bosnien zurück, entstünde ein militärisches Vakuum, das die Europäer nicht ausfüllen könnten. Hinzu kommt, dass Bosnien mit der Truppenentsendung außenpolitisch aufgewertet würde. Weiter erhofft man sich die Lieferung von modernem Kriegsgerät.

Auch Serbien-Montenegro liebäugelt aus den gleichen Gründen damit, in die Koalition der Willigen aufgenommen zu werden. Seit Wochen wird über die Entsendung von 1.000 Mann aus den Spezialeinheiten der Roten Barette nach Afghanistan verhandelt. Die Serben sollen dort direkt dem US-Oberbefehl unterstellt werden. Innenpolitisch würde die Führung einen Unruheherd los – aus den Reihen der Roten Barette kamen die Mörder des Ex-Premiers Zoran Djindjić – außenpolitisch würde Serbien-Montenegro eine Rolle in der westlichen Allianz spielen können, was die Integration in die Nato-Strukturen erleichterte. Mit den dort stationierten 100 Albanern würden die Serben in Afghanistan nicht direkt konfrontiert: die sind in das türkische Kontingent eingebunden.

ERICH RATHFELDER