: Befreiter Freier
Leverkusens Paul Freier überwindet seine Selbstzweifel und wird gegen Freiburg zum Matchwinner
LEVERKSUEN taz ■ Paul Freier spielt seit vier Monaten bei Bayer Leverkusen, durfte dort erleben wie die Mannschaft Bayern München, den AS Rom und Real Madrid entzauberte, war aber selber stets umgeben von einer Aura der Furcht und des Selbstzweifels. Bei jedem Ballkontakt war diese tiefe Verunsicherung bis hoch hinauf auf die Tribünen zu spüren, einige der Besucher der BayArena machte das wütend, andere waren angesichts der Geschichten von Sebastian Deisler und Jan Simak eher besorgt um diesen sensiblen Mann, der so wunderbar dribbeln kann. Klaus Augenthaler schaute immer ganz ernst wenn er Freier Woche für Woche demonstrativ in Schutz nahm, ihn immer wieder einwechselte und mit Nachdruck lobte, selbst wenn ihm nur bescheidene Dinge gelangen.
Zumindest gegen den SC Freiburg hat Freier ein richtig gutes Spiel gemacht und mit zwei Toren einen wichtigen Beitrag zum 4:1-Sieg von Bayer Leverkusen geleistet (48., 88.). Doch auch „unabhängig von den Toren hat er heute gute Ideen gehabt und Pässe gespielt, die vor zwei Wochen noch in den Füßen des Gegners gelandet wären“, lobte Augenthaler den Mann, dessen Hereinnahme zur Halbzeit ein Spiel drehte, das auch schon für die Freiburger hätte entschieden sein können. Denn nach 45 Minuten führten sie mit 1:0 (Coulibaly, 29.), waren zwei Mal blank auf Hans-Jörg Butt zugelaufen, und wenn Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer dem gebeutelten Klub etwas wohl gesonnener gewesen wäre, dann wären sie nach einem Platzverweis gegen Roque Junior auch noch ein Mann mehr gewesen. „Roque war so nah dran an Rot, dass ich noch auf dem Weg in die Kabine Angst hatte, dass er vom Platz fliegt“, sagte Augenthaler, er wechselte den Brasilianer zur Halbzeit aus. Und Paul Freier ein.
Dem gebürtigen Polen gelang mit der ersten Ballberührung der Ausgleich, Krzynowek traf kurz darauf zum 2:1 (53.), statt Roque Junior sah der Freiburger Youssef Mohamad Gelb-Rot und die Partie war gedreht. Freiburgs Trainer Volker Finke war trotzdem „über weite Strecken des Spiels nicht unzufrieden“ mit seiner stark verbesserten Mannschaft. Mit Dennis Aogo kam beim SC auch ein 17-jähriger A-Jugendlicher zu seinem ersten Bundesligaeinsatz – die Verletzungsproblematik ist trotz der Rückkehr einiger Leistungsträger noch lange nicht behoben.
Wie so oft mahnen sie zur Ruhe und Geduld in Südbaden, eine Strategie, mit der auch der sonst eher schroff-autoritäre Augenthaler im Fall Freier genau richtig lag. „Ich habe immer die Unterstützung der Mannschaft und der Verantwortlichen gespürt“, erzählte der 25-jährige Ex-Nationalspieler, er sei eben „so einer der etwas länger braucht in einem neuen Klub“. Wie tief indes Freiers Fall gewesen war, zeigt die Tatsache, dass Bundestrainer Jürgen Klinsmann sich noch überhaupt nicht gemeldet hat. „Mit meinen bisherigen Leistungen brauche ich daran auch nicht zu denken“, meinte Freier realistisch.
Nun hofft er, dass die persönliche Leistung stabil wird, wie auch die Leistung seiner Mannschaft. In Leverkusen rätseln sie weiterhin über die seltsamen Schwankungen in der Form. Eigentlich ist dieses Team nur in der zweiten Halbzeit der Heimspiele wirklich gut, in vier von sechs Partien in der BayArena lagen sie zur Pause mit 0:1 zurück und sind trotzdem die heimstärkste Mannschaft der Liga. Und die schwächste in der Fremde. „Je länger es dauert, desto größer werden unsere Chancen auf einen Auswärtssieg“, meinte Augenthaler – eine Logik, die der Merkwürdigkeit der Leverkusener Serien angemessen ist. In Wahrheit habe er „keine Ahnung woran es liegt“, gab er zu, aber auch bei Paul Freier scheint der Trainer die Sache mit seiner Geduld ziemlich gut hinbekommen zu haben.
DANIEL THEWELEIT