Verfahren gestoppt

US-Bundesgericht verfügt Überprüfung des Status von Guantánamo-Gefangenem. Kritik an Präsident Bush

BERLIN taz ■ Gestern wurde das Strafverfahren vor dem militärischen Sondertribunal in Guantánamo gegen Salim Ahmed Hamdan, den ehemaligen Fahrer Ussama Bin Ladens, vorläufig gestoppt. Der Richter James Robertson vom Bundesgericht des District of Columbia verfügte, dass der Gefangenenstatus Hamdans erst vor einem kompetenten Tribunal geklärt werden müsse.

Präsident George W. Bush als Chef der Exekutive sei nicht befugt, diesen Status festzulegen, denn, so Robertson, „der Präsident ist kein Tribunal“. Bis zu der geforderten richterlichen Feststellung müsse Hamdan als Kriegsgefangener nach den Bestimmungen der Genfer Konvention behandelt werden, wie es die Konvention in Zweifelsfällen vorschreibe.

Damit ist das gesamte Projekt Bushs, vor dem Militärgerichtshof Guantánamo die insgesamt fünfzehn geplanten Verfahren abseits der amerikanischen Gerichtsbarkeit durchzuziehen, in schwere Wasser geraten. Zuvor schon hatte der Oberste Gerichtshof der USA (Supreme Court) den Guantánamo-Häftlingen in einer Aufsehen erregenden Entscheidung prinzipiell das Recht zugebilligt, vor amerikanischen Gerichten die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung überprüfen zu lassen (writ of habeas corpus). Das Bundesgericht des District of Columbia war gegen den Widerstand der Bush-Administration als zuständig für entsprechende Klagen erklärt worden.

Richter Robertson begründete seinen Aussetzungsbeschluss mit dem Hinweis darauf, dass jedem Angeklagten ein fairer Prozess zustehe (due process of law, gemäß der amerikanischen Verfassung). Die Statuten des Militärgerichts in Guantánomo verletzen nach Meinung der meisten amerikanischen Verfassungsjuristen eklatant diesen Grundsatz der fairen Prozessführung. Dies betreffe sowohl die Rechte der Verteidigung, die Möglichkeiten der Zeugenvernahme und der Akteneinsicht wie auch die Zusammensetzung des Gerichts.

Folglich erscheinen entsprechende Klagen bis hin zum Supreme Court nicht aussichtslos – vorausgesetzt, Bush gelingt es nicht, durch Neubesetzungen des Obersten Gerichtshofs in den nächsten zwei Jahren seine Rechtsauffassungen beim höchsten Gericht durchzusetzen. CHRISTIAN SEMLER