„Eine Hölle von Rauch und Feuer“

Seit Montag läuft der Sturmangriff auf die Stadt Falludscha. Über den Verlauf des Kampfes und die Zahl der Opfer gibt es nur ungenaue Angaben. US-Marines rechnen mit massiver Gegenwehr. Iraks Premier Allawi steht stramm an der Seite der USA

Industrieminister Hadschim al-Hassani reichte seinen Rücktritt ein

VON KARIM EL-GAWHARY

Die einen haben die besseren Waffen und größeren Kaliber, die anderen besitzen den Vorteil in den Häusern und Gassen einer Kleinstadt Deckung suchen zu können. Seit der Sturmangriff auf Falludscha am Montagabend unter dem Codenamen „Phantom Fury“ begann, ist es schwierig, sich ein Bild vom Verlauf der Schlacht zu machen. Die in der US-Armee eingebetteten Journalisten übernehmen oft den Militärjargon ihrer Gastgeber und sprechen von einem „langsamen Weichschießen“ der in der Stadt verschanzten Aufständischen.

In der Stadt beschreibt ein Einwohner gegenüber der BBC am Telefon Falludscha als „Hölle, in der jede Minute hunderte von Explosionen zu hören und überall Rauch und Feuer zu sehen sind“. Der Strom ist abgestellt und damit in weiten Teilen auch die Wasserversorgung.

Nachdem die bis zu 15.000 US-Soldaten in der Nacht den im Norden der Stadt als strategisch wichtig bezeichneten Bahnhof eingenommen hatten, fuhren zwei Kolonnen der Marines mit Panzern und Jeeps an zwei Stellen vom Norden in die Stadt und kämpfen sich den Weg von Haus zu Haus frei. Am Nachmittag sollen sie sich in das Zentrum vorgekämpft haben, bis zur Al-Hidra-Moschee, die als eines der Hauptquartiere und Waffenlager der Aufständischen gilt. Die Moschee soll von irakischen Truppen eingenommen worden sein.

Zur gleichen Zeit verbreitete das US-Kommando die Nachricht, dass ein Drittel der Stadt unter Kontrolle der Marines sei. Offiziere vor Ort warnen davor, zu glauben, dass ein schneller Einmarsch das Ende darstelle. Sie erwarten Gegenwehr vor allem, wenn sich die Truppen in der Stadt etabliert haben.

Militärfachleute glauben, dass es das erste strategische Ziel der Marines ist, die Stadt in zwei Hälften zu teilen und so die Bewegungsfreiheit der Aufständischen einzuschränken, um sie zu zwingen, in südlicher Richtung auf offenes Gelände zu fliehen, wo sie mit Artillerie und Luftwaffe beschossen werden können – ohne allzu viele zivile Opfer.

Von den US-Soldaten gibt es widersprüchliche Meldungen, ob diese Theorie funktioniert. „Alles funktioniert bestens und nach Plan“, beschreibt Major Clark Watson die Lage in der Stadt. „Ein guter Tag“, lautet sein Fazit. US-Panzer-Kommandeur Hauptmann Robert Bodisch sprach von heftigem Widerstand im Dscholan, einem Viertel im Norden, mit engen Gassen, in denen sich viele Aufständische verschanzt haben sollen. „Die Gegenwehr ist stark“, erzählt er.

Verlässliche Berichte von gefallenen US-Soldaten sind ebenso wenig zu erhalten wie Zahlen über die Opfer auf irakischer Seite. Um ihre Kampfgefährten in Falludscha zu entlasten, startete die Guerilla überall im Land Operationen. In Bakuba im Norden Bagdads wurden mehrere Polizeiwachen angegriffen, im nördlichen Kirkuk fuhr ein mit Sprengstoff beladenes Auto in die Kaserne der Nationalgarde. In Bagdad wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.

Im Gegensatz zu ihrem letzten Angriffsversuch auf Falludscha im April erklärte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, dass er sich nicht vorstellen könne, dass diese Operation nicht zu einem erfolgreichen Ende geführt werde. Im April war ein erster Angriffsversuch abgebrochen worden, weil sich unter dem damals 25-köpfigen irakischen Regierungsrat Unruhe über die Zahl der zivilen Opfer breitgemacht hatte. Diesmal stehe die irakische Führung zu der Operation, so Rumsfeld.

Iraks Premier Ajad Allawi unternahm alles, um diesen Eindruck zu erwecken. „Mögen sie zur Hölle fahren“, schrien die Soldaten vor laufenden Kameras des irakischen Fernsehens bei einem Truppenbesuch Allawis am Rande Falludschas Montagnacht. „Jawohl, zur Hölle mögen sie fahren“, antwortete Allawi. Kurz darauf musste er sich mit dem ersten politischen Nebenprodukt des Angriffs auf Falludscha befassen. Industrieminister Hadschim al-Hassani, Mitglied der von Sunniten beherrschten „Islamischen Partei“, reichte seinen Rücktritt ein. Entscheidender Faktor wird auch die irakische öffentliche Meinung sein. Die wird davon abhängen, wie schnell die Operation zu Ende geführt und welches Bild sich in der Stadt abzeichnen wird.