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Archiv-Artikel

Verlorenes Vertrauen

Die Neuordnung der vielfach kritisierten Kulturbehörde ist überfällig. Volker Plagemann, Ex-Berater des Ex-Kultursenators Perschau, über Leiter ohne Mitarbeiter, Dirigismus und Kompetenzverlust

taz: Herr Plagemann, seit Jahren wird von verschiedensten Seiten eine Reorganisation der Kulturbehörde gefordert. Was ist eigentlich das Problem der Kulturbehörde?

Mitte der 1990er Jahre hat in Bremen ein höchst unglücklicher Prozess begonnen des ständigen Umorganisierens der Kulturverwaltung: Das Ressort als unter Senatorin Helga Trüpel selbständiges Ressort ist reingenommen worden in die Bildungsbehörde als ein sehr ungeliebter Teil. Es gab Gutachten von McKinsey und Roland Berger mit der Folge einer Dreiteilung der Kulturbehörde in eine Kernkulturverwaltung, die Kultur Management Bremen (kmb) und in ein Kulturamt. Kaum war das geschehen, wurde die Behörde zum Innensenator gebracht. Das gab’s sonst nirgends. Dann folgte 2003 eine in sich selbständige Kulturbehörde, die aber vom gleichen Senator geleitet wird, der auch das große Wirtschafts- und Häfen-Ressort zu leiten hat – also einem, der sich wenig darum kümmern kann.

Bei allen letzten vier Stationen ist das Ressort immer das politisch Unwichtigere gewesen, das man nicht richtig durchorganisiert hat. Das ist eine historisch sehr unglückliche Situation. Sie hat ein tiefes Misstrauen der Künstlerschaft zur Folge, der Kultureinrichtungen, der kulturell engagierten Bürger und jetzt auch der Kulturhauptstadt-Leute gegenüber der Kulturverwaltung. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem gegenseitiges Vertrauen mehr als nötig wäre.

Trotz der vielen Stationen gibt es aber die Person der Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann, die seit 1999 konstant im Amt ist.

Nicht nur die. Mit ihr sind noch weitere Führungsfiguren seit fünf Jahren verantwortlich. Seitdem gibt es ja einen Leiter der Kernverwaltung, nämlich Herrn Strömer, Volker Heller als Leiter der kmb und eine Leiterin des Kulturamtes, Frau Hohlfeld. Diese haben alle nebeneinander her gearbeitet und sind unterschiedlich mit Personal ausgestattet worden: Die Kernverwaltung ist reduziert worden, die kmb ist auf 14 Mitarbeiter aufgestockt worden. Frau Hohlfeld hatte keinen einzigen Mitarbeiter. Dennoch tragen die leitenden Beamten und Angestellten unter wechselnden Senatoren die Verantwortung dafür, dass keine neue Struktur geschaffen wurde.

Zudem hat sich offensichtlich die Dreiteilung der Behörde alles andere als bewährt.

Seit der Zeit der Dreiteilung ist es nicht gelungen, in der Behörde ein System von Zuständigkeiten zu bilden. Es kommt noch dazu, dass in der Kulturbehörde das Verhältnis der Mitarbeiter zu verschiedenen Führungsebenen ein sehr schwieriges ist. Und dass es keine geordneten Verwaltungsstrukturen mehr gibt. Bestimmte Dinge, die anderswo eine Selbstverständlichkeit sind, funktionieren hier nicht mehr.

Zum Beispiel?

Es gibt keine Präsidialabteilung, wo das eingeht, was von der EU kommt, von anderen Bundesländern oder Städten, von Senat und Bürgerschaft und korrekt behandelt werden muss. Es gibt auch keine richtige Ressourcenabteilung, weil die kmb ja als eigenständige GmbH ausgelagert worden ist. Und es gibt keine Gliederung im Hinblick auf die Fachkompetenz: Es hat ein Verlust an Fachlichkeit stattgefunden, das ist deutlich erkennbar. Und dann kommt es nicht mehr zu einer kompetenten Politikberatung: Jemand, der einem Senator erklären soll, wie ein bestimmtes Phänomen einzuschätzen ist, der muss von der Sache natürlich etwas verstehen.

Verlust von Kompetenz auf den einzelnen Positionen ist ein schweres Defizit. Dabei ist wichtig zu wissen: Es gibt ganz viele kompetente Leute in der Kulturbehörde. Es geht mir um den richtigen Einsatz dieser Leute und die richtigen Strukturen, die nach meinem Eindruck nicht vorhanden sind.

Wie kommt man dazu, dass man Leute nicht nach ihren Kompetenzen einsetzt?

Ich fürchte, dass dahinter auch die Vorstellung steckt: In der Kulturbehörde hat man nur noch betriebswirtschaftlich zu denken und nicht mit Kulturkompetenz. Das halte ich für ganz falsch, erst recht wenn das Geld weniger wird, muss die Kompetenz dazu beitragen, den Dialog und das Vertrauen zu stützen, das man untereinander haben muss.

Immerhin hatte man so viel Vertrauen zu den meisten Einrichtungen, sie in den letzten Jahren zu verselbständigen.

Ja. Allerdings wird ihnen die Selbständigkeit dadurch genommen, dass sowohl die Kulturpolitik wie die Kulturbehörde wie auch die kmb sich nicht so verhalten, wie man sich gegenüber selbständigen Institutionen verhalten sollte, nämlich: sie an langer Leine selbständig handeln zu lassen. Stattdessen ist insgesamt noch ein Bewusstsein des Dirigismus und der Eingriffsverwaltung vorhanden. Besonders bei der kmb glaubt man in starkem Maße, technokratische Maßnahmen ergreifen zu müssen. Das alleine kann es aber nicht sein.

Wie sollte die Rolle der kmb aussehen?

Die kmb sollte den Kultureinrichtungen helfen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln wirtschaftlich umzugehen. Die meisten Institutionen können das ja ohnehin. Eine kmb hat nur dann einen Sinn, wenn sie denen noch mehr beibringen kann. In dem Moment, in dem die kmb jemandem nichts mehr bieten kann im Sinne von Beratung und Controlling, muss sie sich auch wieder zurückziehen. Deswegen bin ich dafür, dass die kmb in dieser Umfänglichkeit wieder zurückgeführt wird und in die Kulturverwaltung eingegliedert werden muss. Ressourcenabteilung auf der einen Seite und Fachabteilung auf der anderen Seite: Die müssen in Zukunft miteinander abgestimmt handeln!

Neben den vielen Problemen der Einrichtungen mit der kmb entsteht immer wieder der Eindruck, es gebe in der Kulturbehörde gar keine Vorstellung, welche Kulturlandschaft man in Bremen eigentlich haben möchte.

Das glaube ich nicht. Das Interessante ist ja, dass sich Bremen zu diesem Projekt „Kulturhauptstadt Europa 2010“ durchgerungen hat. Mit einem sehr interessanten Papier im Senat, in dem auch drinstand: Selbst wenn der Ehrentitel „Kulturhauptstadt Europas“ nicht erreicht wird, will man das Ganze voranbringen als einen Sanierungsprozess für die Gesundung des kulturellen Lebens in Bremen. Und dieses mit der Vorstellung, dass ein gutes kulturelles Leben auch außerordentlich förderlich ist für die Wirtschaft eines Gemeinwesens.

Das Interessante ist auch, dass die Leute, die an dem Konzept für die Kulturhauptstadt arbeiten, aber auch die Kultureinrichtungen selbst, sagen: Eigentlich geht das nur mit einer guten Kulturverwaltung. Die Kulturverwaltung ist aber völlig abgehalftert.

Das hört sich nach schlechten Karten für die Bewerbung an, vor allem, weil die Zeit drängt. Bewerbungsintendant Martin Heller sagt: Der Umbau der Behörde soll Teil der Bewerbung sein.

Wäre schön, wenn das so wäre. Umgekehrt würde ein Schuh draus, wenn man früher gesagt hätte: Wir reformieren ganz schnell unsere Kulturbehörde und die betreibt dann auch mit Nachdruck die Bewerbung. Aber so ist es nicht geschehen. Ich kann es im Moment auch nur so sehen: Der Zusammenbau der Kulturbehörde und das Reduzieren der kmb und ihre Integration in die Behörde gehören zu den Aufgaben, die bis 2010 geleistet werden müssen.

Nun sieht die politische Gemengelange so aus, dass die SPD die kmb abschaffen möchte, während CDU-Kultursenator Peter Gloystein die kmb beibehalten will.

Ich würde auch nicht sagen: Abschaffung. Sondern langsamer Rückbau und Integration. Auch in der kmb sitzen ausgezeichnete Leute. Die können sich bei richtiger Integration in die Kulturverwaltung außerordentlich positiv auswirken. Und ich sehe die Chance immer noch nicht vergeben. Aber man darf das nicht auf die lange Bank schieben.

Interview: Klaus Irler