: Wüsten wachsen
Vom kleinen Flattern und vom großen Durst: Die Ausstellung „cross-country“ im Haus am Kleistpark dreht sich um die Veränderung der Natur und ihre kulturelle Codierung
Wüsten: Warum nur mutet die Landschaft dort, wo sich die Lebensformen auf dem Rückzug befinden und Einsamkeit der Effekt einer bedrohlichen Unwirtlichkeit geworden ist, optisch so großartig, ja fast zum Erschrecken erhaben an? Ist es die Monumentalität der grauen, kaum bewachsenen Hänge, die in den Fotografien des kalifornischen Owens Valley von Eva Castringius unseren Hunger nach Größe berührt? Sind es die klar geschnittenen Linien der Staudämme und Aquädukte, die unseren Sinn für Schönheit fesseln? „The Great Thirst“ hat Eva Castringius ihre Bilderserie genannt, die keinen Zweifel lässt am Zusammenhang der ingenieurtechnischen Leistung der Wassertrassen und dem Vertrocknen der Landschaft: ökologisch eine Katastrophe und doch ein atemberaubendes Fotomotiv.
Ästhetische Wahrnehmung und ethische Beurteilung fallen auseinander. Umweltzerstörung, sie erweckt jenen Schauer des Erhabenen wieder, der, als ihn die Romantiker entdeckten, dem Erschrecken vor dem Unendlichen und Nichtbegreifbaren des Universums galt. Inzwischen ist der Schrecken hausgemacht, die Verödung des Owens Valley der Preis für die Wasserversorgung für Los Angeles. Castringius Bilder entstanden während eines Stipendiums dort.
Wahrscheinlich war das Verhältnis des Menschen zur Natur noch nie widerspruchsfrei. Doch gerade deshalb lohnt es sich zu beschreiben, wie sich die Bewegungen der Abgrenzung und Verschränkung zwischen Kultur und Natur immer wieder verschieben.
In der Ausstellung „cross-country“ folgt Castringius’ Blick auf das Außen der Stadt ein Videoraum von Bettina Allamoda, der im Innersten der Stadt sucht, was von der Natur blieb. Man wird ungeduldig bei den kurzen Sequenzen aus dem Berliner Tiergarten, dem Aquarium in Genua, von Spatzen auf dem Alexanderplatz, Flamingos im Flussbett vor einem Museum in Frankreich. Denn man möchte gerne immer viel genauer sehen, was sich da irgendwo klein und flüchtig im Bild bewegt, Vögel, die unter dem Dach einer Markthalle flattern oder in Mauerritzen verschwinden.
Aber Allamodas Blick ist eben nicht der des speziell ausgerüsteten Tierfilmers, der uns Abend für Abend eine große Verbundenheit von Mensch und Natur auf dem Fernsehbildschirm vorgaukelt. Sondern es ist der unbewehrte Blick, das kurze Stutzen, was fliegt denn da und ach, nisten die hier tatsächlich, zwischen Stahl und Beton am Potsdamer Platz? So entspricht ihre Sammlung von Aufnahmen einer beinahe zufälligen Wahrnehmung, die sich nur gelegentlich besinnt, nach den Spuren der Natur zu suchen. Sie nimmt in Allamodas Bildern einen marginalen Status ein, aber auch wie etwas, das sich mit den Verhältnissen arrangiert. Keine Verklärung, keine Trauer um Verluste. Mit dieser nüchternen Bestandsaufnahme öffnet Allamoda einen Seitenraum zu ihren Untersuchungen von der kulturellen Codierung von Architektur und Stadtraum, die sie in ihren meisten Projekten verfolgt.
Die dritte Künstlerin der Ausstellung ist Jutta Geier. Sie war ebenso wie die beiden anderen Künstlerinnen vor vielen Jahren Stipendiatin der Karl Hofer Gesellschaft, und dieser Umstand hat die drei im Haus am Kleistpark zusammengebracht. Aus der formalen Klammer ist eine inhaltliche geworden.
Von den Fotoserien Jutta Geiers ist die thesenhafte Belegung der Landschaft, ob als Beleg der Umweltzerstörung oder der Integration von Natur und Kultur, am weitesten entfernt. Dafür lenkt sie den Blick am stärksten auf die Form ihres Zugriffs. Die Serien „Wald“ und „Baum“ fragen nicht nach der Kulturlandschaft Wald und erst recht nicht nach Waldsterben.
Sie zeigt die Stämme fast wie einen Strichcode, in einem lang gezogenen schmalen Format, fast wie ein Abscannen in Augenhöhe, das weder Unterholz noch Kronen erfasst. Eine minimalistische Struktur entsteht, die keine Assoziationen mehr an Wildheit oder unkontrollierte Urwüchsigkeit zulässt, nichts vom Wald als mythisches Stimmungsbild. Aber gerade, weil Jutta Geier so weit von den bekannten Topoi abrückt, macht sie „Wald“ und „Baum“ wieder sichtbar. KATRIN BETTINA MÜLLER
„cross-country“, Haus am Kleistpark, Grunewaldstr. 6–7, 10823 Berlin,Di.–So., 14–19 Uhr, bis 28. November