: Zartes Pflänzlein Kunst am Bau
Seit 25 Jahren regelt in Berlin die „Anweisung Bau“ das Thema Kunst am Bau. Seit 25 Jahren regelt die Anweisung das gerade nicht, kritisieren Künstler und fordern Pflichten auch für private Bauträger
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Wenn etwa das Land Berlin oder ein Bezirksamt das Angebot eines Künstlers ablehnt, die neu errichtete Schule, den Betriebshof oder das Schwimmbad mit einer Skulptur zu schmücken – und zwar noch kostenlos –, stimmt irgendetwas nicht. Es stimmt wohl die Verantwortung der Behörden zum Thema Kunst im öffentlichen Raum nicht. Und es stimmen die finanziellen Rahmenbedingungen nicht. Warum, das Ding war doch kostenlos zu kriegen, fragt man zu Recht. Sicher, man darf nur nicht vergessen, dass kontinuierlich Mittel benötigt werden, das Kunstwerk zu pflegen, zu hegen und gegebenenfalls zu reinigen. Weil die fehlen, bleiben das Bauwerk oder der öffentliche Raum kunstfrei.
Elfriede Müller, Leiterin des „Kulturwerks“, Büro für Kunst am Bau, hat am Mittwochabend in der Veranstaltung „25 Jahre Kunst am Bau“ im Hamburger Bahnhof die Geschichte von der kostenlosen, aber abgelehnten Kunst erzählt – und nicht mal große Verwunderung geerntet.
Nicht nur, dass schlechte finanzielle Bedingungen herrschen und administrative Verantwortungslosigkeiten, etwa in den Bezirken, gang und gäbe sind. In Berlin fehlen auch der glasklare Wille und das Erleben für einen wesentlichen Aspekt der Kunst, der, wie die SPD-Kulturpolitikerin Brigitte Lange sagte, „Arbeitsplätze für Künstler sichert und die Öffentlichkeit mit Kunst vertraut macht“.
Es gibt zwar in Berlin mit der 25 Jahre alten Verwaltungsvorschrift der Senatsbauverwaltung „Anweisung Bau“ Regelungen zu Vorbereitung und Auswahl von Kunst am Bau oder an öffentlichen Plätzen. Auch ist dort dargelegt, welche Gremien in der Kulturverwaltung, Beratungsrunden mit Künstlern und Kulturschaffenden oder gar Kuratoren über Projekte entscheiden. Und es werden 1–3 Prozent der Bausumme für das Kunstwerk reserviert. Zugleich muss man in der Realität feststellen, kritisierten Müller, Lange und die Künstlerin im Beirat, Susanne Ahner, unisono, dass dies nicht zwingend auch zu Kunst am Bau führe.
Schaut man sich in Berlin die jüngsten öffentlichen Gebäude an, muss man den Künstlern Recht geben. Was beim Bau der Parlaments- und Regierungsbauten hervorragend funktioniert hat – dass nämlich Mittel und ein Kunst-Beirat-Gremium existierten, die nach Wettbewerben so renommierte Künstler wie Baselitz, Richter oder Ücker, Ilya Kabakow, Jenny Holzer und Maurizio Nannucci für ihre Projektionsflächen einsetzen konnten –, klappt auf Landesebene oft nicht.
Das fängt in Berlin bei der Bauvorbereitung an: „Es gibt keine Klärung über Kunst am Bau für öffentliche Bauherren, Architekten und Künstler, was eigentlich bei der Planung geschehen müsste“, sagte der Architekt Klaus Baesler. Gerade Architekten fühlten sich von den Künstlern oft „anmaßend“ behandelt. Außerdem hängt alles am Geld: Rutschten Bauwerke – was mittlerweile fast alle tun – in die roten Zahlen, erinnerte der Architekt, bedienten sich Bauherren und Architekten aus der Kunstkasse. Geld für die Künstler ist am Ende dann nicht mehr da. Schließlich hielten sich private Bauherren, aber auch private Bauträger, die öffentliche Gebäude realisierten, kaum an die „Anweisung“.
Nach Ansicht von PDS-Kultursenator Thomas Flierl muss insbesondere auf diesen Wandel in der Praxis öffentlichen Bauens reagiert werden. „Wenn sich die Bauträgerschaft verändert hat, muss das nicht heißen, dass das Thema Kunst am Bau sich erledigt.“ Vielmehr sollten die neuen Ansprüche debattiert werden. Was auch bedeuten „könnte, dass neue Regelungen nötig werden“. Eine Evaluierung der „Anweisung“ wäre die Folge.
Es ist unter Künstlern Usus, dass der „Diskussionsstand über Kunst am Bau in Berlin eingeschränkt ist“, so die Künstlerin Veronika Kellndorfer. In München ist das anders, wie Monika Pemler vom Bauamt München berichtete. Das „Münchner Modell“, wo der staatlich festgelegten Kunstförderung und der Diskussion und Praxis um Kunst am Bau breiter Raum gegeben wird, ist auch für Berlin ein Exempel. „Warum geht es dort zack, zack, hier nicht?“, fragte ein Zuhörer. Pemlers Antwort: Es liegt an den Verfahren „und der Kunst und den Künstlern selbst“, Kunst am Bau zum Ereignis – und nicht zum Problem – zu machen. Das ist wohl wahr.