Essener Kuschelrunde geht in nächste Dekade

Der „Essener Konsens“ feiert sein Zehnjähriges. Das Erfolgsmodell für gemeinschaftliche Initiativen von Wirtschaft, Politik und BürgerInnen hat schon zehn neue Projekte am Start. Das Revier missionieren will die Initiative aber nicht

ESSEN taz ■ Seit zehn Jahren liefern Essener BürgerInnen Ideen, die von Azubis und Arbeitslosen verwirklicht werden: Der bundesweit einmalige „Essener Konsens“ feierte am Freitag Geburtstag. Das Projekt hat weder ein Büro, noch eine Satzung, noch einen Vorstand. „Unser Modell ist keine Institution, sondern eine Grundüberzeugung: Der Erfolg lebt von der Zusammenarbeit“, sagte Klaus Wermker, Leiter des Büros Stadtentwicklung, gestern im Bahnhof Kettwig. Der Bahnhof ist selbst ein Konsens-Produkt: Arbeitslose Jugendliche und junge BauhandwerkerInnen in Qualifizierungsmaßnahmen haben das verfallene Gebäude renoviert, heute arbeiten in dem Kulturzentrum dort 50 Menschen.

Das Gründerzentrum „Triple Z“ ist das größte Vorzeigeprojekt. ExistenzgründerInnen haben im Schacht Fünf der Zeche Zollverein Räume für ihren Start in die Selbständigkeit gefunden. „Als ich die Bruchbude 1994 gesehen habe, kam mir nur die Abrissbirne in den Sinn“, sagt Rolf Nienaber, Hauptgeschäftsführer der IHK Essen. Doch dann gründete sich die „Interessengemeinschaft Katernberg – Inge S.“ und dann hätten ihn dutzende Menschen, vom Pfarrer bis zum Bürger, überzeugt und er habe Geld gesucht und gefunden. Sogar Förder-Aktien wurden ausgegeben, die bis heute Leute wie Helmut Kohl, Johannes Rau und Gerhard Schröder ihr eigen nennen.

Nach diesem Erfolgserlebnis weitet sich der Konsens nun aus: Am Freitag wurden neue Ideen von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) geehrt. „Fairnetzen“ ist eine Ehrenamtsagentur, die engagierte Menschen, von der pensionierten Managerin bis zum Polier, an soziale Initiativen weitervermittelt, natürlich unentgeltlich. Auch das denkmalgeschützte Haus Fuhr in Essen bekam viel Lob. Die ehemalige Kirche soll zu einem offenen Bürgerhaus werden, in dem auch Triennale-Veranstaltungen stattfinden.

„Wir haben ohne Ende kreative Ideen“, sagt Udo Glantschnig, Leiter der Essener Agentur für Arbeit. Aber nur wenn die Konsensrunde sie beschließe, sei der Erfolg garantiert. „Diese Projekte sind unanfechtbar.“ Eine neue Idee sei zum Beispiel ein Aussichtsturm im Essener Süden, der schon auf den Namen „Heimliche Liebe“ getauft wurde. Oder auch der „kinderfreundliche Bewegungsraum“, das sind stadtweite Lernwerkstätten für bewegungsarme Kinder, oder preiswerte Familienunterkünfte für Wanderer und BootsfahrerInnen auf der Ruhr.

Trotz der unerschöpflichen Ideen will die Essener Runde sich nicht auf das Ruhrgebiet ausdehnen. „Das funktioniert nicht,“ sagt Glantschnig. Nur weil sich in Essen Menschen gefunden hätten, die sich gut kennen und mögen, sei die Zusammenarbeit möglich. „ Das geht nicht städteübergreifend.“ ANNIKA JOERES