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Archiv-Artikel

Theorie und Dorfdisko

Deutschland lieben, Werte suchen: The Aim Of Design Is To Define Space aus Berlin halten sich für die Provokateure der Stunde. Ihr erstes Album ist toll, der Quatsch, den sie dazu erzählen, unerträglich

von ANDREAS HARTMANN

Seltsame Zeiten sind das. Globalisierungsgegner gelten den einen als neue Avantgarde der Linken, viele Linke stempeln sie dagegen wahlweise als plumpe Antiamerikanisten oder gar Antisemiten ab. Die Berliner Band Mia spielte noch auf der letzten linksradikalen 1.-Mai-Demo, seit sie in ihrem neuen Song „Was es ist“ in ein paar verschwiemelten Textzeilen für ein neues Wohlfühl-Deutschsein plädieren – „Ein Schluck vom schwarzen Kaffee macht mich wach. Dein roter Mund berührt mich sacht. In diesem Augenblick, es klickt, geht die gelbe Sonne auf“ – werden sie auf dem Forum ihrer Website tatsächlich für bare Münze genommen, und es wird ernsthaft darüber diskutiert, ob sie jetzt mit der NSDAP sympathisieren.

Alles ist kompliziert geworden. Rechter Nazirock einerseits, linke Goldene Zitronen andererseits: Schwarzweißmalereien wie diese sind passé, jetzt kommt die neue Links-rechts-Provonummer, jetzt kommen The Aim Of Design Is To Define Space. Die Band aus dem Brandenburgischen, die nun in Berlin haust, will so viele Widersprüche verkörpern, bis sich gar niemand mehr auskennt. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht, vor allem aber das eine: Quatsch zu verzapfen.

Die Band, die wie Mia beim Label R.O.T. („respect or tolerate“) untergebracht ist, scheint gar nicht zu merken, wie sie sich durch ihre nebulösen Pamphlete auf ihrer Website und der Info zur neuen Platte „Gosen, U Can Rave II“ selbst erdrückt. Dazu passt, dass TAODITDS wie Mia auch Teil des von R.O.T., von Inga Königstädt und anderen initiierten Projekts „Angefangen“ ist – einem Projekt, bei dem abgesehen von der „Suche nach einer besseren Welt“ und „neuen gesellschaftlichen Werten“ niemand so richtig zu wissen scheint, worum es gehen soll, bei dem außer „über das Leben zu reden“ niemand so richtig zu wissen scheint, was dort eigentlich passieren soll.

Vor diesem Hintergrund würde man sich am liebsten ausschließlich um die Musik der Band kümmern, einfach nur ihre Platte hören und dann feststellen: Dieses Album ist aufregend, radikal, großartig, vielleicht sogar das Beste aus Berlin seit Jahren, ein Knochenbrecher, ein brillant-stumpfes Gitarrenalbum, wie es Surrogat in tausend Jahren nicht hinbekommen werden. Doch leider gehört zur Popmusik eben auch das ganze Drumherum, und bei The Aim Of Design Is To Define Space gestaltet sich dieses eher peinlich. Die Band fühlt sich dem Proletkult verpflichtet, schlägt sich auf die Seite der Verlierer und will, so erklärt sie auf ihrer Info, „als Sprachrohr der Berlin-Brandenburger-Deutschen die Jugend bilden und erziehen“. Du meine Güte! „Bilden und erziehen“, hat Popmusik seit neuestem einen Lehrauftrag? Hätte das doch nur der gute alte Erich Honnecker noch erleben dürfen!

TAODITDS lassen Theorieschutt auf uns niederprasseln, bis wir nur noch um Gnade flehen können. Da ploppt auf ihrer Website mal ein Zitat von Emile M. Cioran auf, weil dessen Aphorismen immer so schön verstörend wirken, mal ein Satz wie „Kunst und Philosophie sind neben Religion Formen des absoluten Geistes“, damit auch der Philosophiestudent etwas davon hat. Das Meiste davon wurde akribisch von Gitarrist und Bassist der Band, Stephan Szulzewsky aka „DJ Deutschland“ aka „DJ Ostdeutschland“ zusammengetragen, der als DJ am liebsten in Brandenburger Dorfdiskos Musik von Scooter auflegt.

Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin findet unser Gespräch in einer Sportkneipe in Kreuzberg statt. Sport finde er super, sagt er. Im Song „Fitness TVB“ fordern TAODITDST einen neuen Wertekanon ein, der unter anderem „Fitness, Hygiene, Pünktlichkeit“ beinhaltet. Es soll darum gehen, die perspektivlosen Jugendlichen aus Brandenburg in den Sportverein zu kriegen und damit daran zu hindern, den Tag mit Schnaps und Bier zu bestreiten.

Das, was DJ Deutschland in seiner Sportkneipe dann so äußert, wirkt ziemlich seltsam. Er sagt: Hans Fallada sei als sozialer Schriftsteller sein Vorbild, Urlaub in Thailand sei schlecht, in China solle man sich endlich andere Dinge wünschen als immer bloß neue Autos, DJ Hell sei ein Depp, weil er seine letzte Platte nicht in München aufgenommen habe, wo er herkomme, sondern in New York, wo er nicht hingehöre. Darauf angesprochen, ob seine Band nicht schon allein durch ihren Bandnamen an das aktuelle Rock-Revival aus England und Amerika anknüpfe, tut er, als wisse er gar nicht, wovon die Rede sei. DJ Deutschland geriert sich wie ein Zurück-zur-Scholle-Apologet der PDS. Sollen wir ihn deshalb einen Nazi, einen Stalinisten oder einen Futuristen nennen? Bitte, bitte, so scheint er direkt zu betteln, am liebsten alles auf einmal.

Das ganze Auftreten der Aim Of Design Is To Define Space bleibt unausgegoren und ausgedacht – wahrscheinlich, weil man meint, auf diese Weise leichter auf sich aufmerksam machen und Platten verkaufen zu können. Ein wenig fühlt man sich bei alldem an die Zeit Anfang der Achtziger erinnert, als speziell in Berlin Leute wie Martin Kippenberger, dem TAODITDS sogar einen Song gewidmet haben, versuchten, mit genialem Dilettantismus und politischer Unkorrektheit den etablierten Kunstbetrieb aufzumischen. Das Problem an der Sache heute: Wo ist der etablierte Kunstbetrieb geblieben, gegen den es früher anzurennen galt? TAODITDS sind leider keine einfache Rockband, sie sind eine der lächerlichsten Achtziger-Revival-Bands, die die Welt je sah.

The Aim Of Design Is To Define Space: „Gosen, U Can Rave II“ (R.O.T./Westberlin Medien)