: Eichel will das Geld der Huren nicht
Bundesrechnungshof stellt Jahresbericht vor: Öffentliche Bauvorhaben nicht genug kontrolliert, Steuern im Rotlichtmilieu schlampig eingezogen. Ministerium zweigt Geld aus der Förderung kleiner Unternehmen für sich ab
BERLIN taz ■ Eine Dreiviertelmillion für zwei Büros. Das neue Domizil für den Vizechef des Robert-Koch-Instituts (RKI) und seine Sekretärin wurde vom Bundestag nie abgesegnet. Trotzdem wurde gebaut. Dreimal so teuer wie nötig, denn eine Auschreibung gab es auch nicht. Gestern legte der Bundesrechnungshof seinen Jahresbericht vor: Auf drei bis fünf Milliarden Euro summieren sich die Verluste des Bundes durch unnötige Ausgaben und verpasste Mehreinnahmen. Den RKI-Umbau hält Rechnungshofpräsident Dieter Engels für „einen besonders haarsträubender Fall von Geldverschwendung“.
Auch kritisiert: die Bundeswehr. Zu den handelsüblichen Artikeln im Wert von 140 Millionen Euro, welche die Armee eingelagert hat, gehörten auch Unterlegscheiben, sagte Engel. Allerdings entsprach die Verpackung dieser gelieferten Scheiben nicht den Vorschriften der Bundeswehr. Deshalb musste Bundeswehrpersonal eigene Plastiktütchen herstellen und die Scheiben dort einfüllen. Da man die Scheiben bei der Truppe aber in großen Mengen braucht, sind kleine Tüten unpraktisch. Ergebnis: „Die Verpackungen werden geöffnet und die Unterlegringe wieder zusammengeschüttet.“
Kein Ministerium bleibt von den Prüfern verschont. Das Verkehrsministerium wurde gerügt, weil es wegen der Verbreiterung des Mittellandkanals neun Brücken in Hannover erneuern ließ. Dabei hatte die Stadtverwaltung darauf hingewiesen, dass sie die Brücken in der vorgesehenen Größe gar nicht braucht. Jetzt hat Hannover eine 7,5 Meter breite Fußgängerbrücke. Besonders bemängelte der Rechnungshof, dass der Bund nur unzureichend kontrolliert, ob Zuschüsse an Forschungsinstitute oder soziale Einrichtungen rechtens sind. So seien die Apartments einer mit öffentlichem Geld gebauten Bildungseinrichtung als Ferienwohnungen vermietet worden.
Die Beamten sackten auch Geld ein, dass ihnen nicht gehört. Mittel, mit denen kleine und mittlere Unternehmen gefördert werden sollten, nahmen Behörden des Wirtschaftsministeriums „für sich selbst in Anspruch“, sagte Rechnungshofchef Engels: „Ein wirklich kreativer Ansatz, finanzielle Engpässe zu umgehen.“ Engels kritisierte auch die Steuerverwaltung: Der Bund setzt die im Rotlichtmilieu bestehende Einkommen- und Umsatzsteuerpflicht nicht durch. Einnahmeausfall durch schwarz arbeitende Prostituierte: 2 Millionen Euro.
Dabei hätte Finanzminister Eichel Geld wirklich nötig. „Mit 38 Milliarden Euro an Zinsausgaben ist der Bund längst in der Schuldenfalle“, sagt Rechnungshofchef Engels. Es würden Schulden in Rekordhöhe gemacht, ohne finanzpolitische Spielräume zurückzugewinnen.
THILO SCHMIDT