the great weihnachtsmann-swindle von HARTMUT EL KURDI
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In dieser unmäßigen, marzipankartoffeligen Jahreszeit, in der die Kinder ihre Wünsche mit dicken Filzern auf kilometerlange Wunschzettel krakeln und „An das Christkind in 21709 Himmelpforten“ oder „An den Weihnachtsmann in 31137 Himmelsthür“ schicken, will auch ich es ausnahmsweise wagen, einen einzigen, einen winzigen Wunsch zu äußern. Leider weiß ich im Gegensatz zur kindergarten- und grundschulbesuchenden Bevölkerung nicht so recht, an wen ich mein Begehr adressieren soll: An den dicken Mann mit der Rute habe ich schon als Fünfjähriger nicht mehr geglaubt – unter anderem, weil er das gleiche urinige Aftershave benutzte wie dieser schmierige „Verlobte“ meiner Tante Inge, und von der absurden Behauptung, „31137 Himmelsthür“ wäre ein himmlischer Ort, bekomme ich Bronchitis. Einige Jahre lang musste man Post an mich nämlich nach „31139 Ochtersum“ beziehungsweise, um korrekt zu sein, „31139 Hildesheim“ schicken, denn Ochtersum ist genau wie Himmelsthür nichts anderes als ein Ortsteil von Hildesheim.

Sicher, auch Städte aus der 100.000-Einwohner-Kategorie haben ihren beschaulichen Reiz, aber mal unter uns: Wenn ich der Weihnachtsmann wäre und es mich somit tatsächlich gäbe, wohnte ich sicherlich nicht in Hildesheim. Schon aus romantisch-ästhetischen Gründen. Nicht umsonst trägt die im Krieg fast komplett zerstörte und danach in einer Art Kachelfassaden-Trance wieder aufgebaute Stadt den Ehrentitel „Eisenhüttenstadt des Westens“.

Außerdem gibt sich Hildesheim mit seinem angeblichen Mitbürger Santa Claus nur begrenzt Mühe und pflegt die Weihnachtsmann-Legende äußerst viertelherzig. Zwar behauptet man jedes Jahr aufs Neue in Funk, Fernsehen und Druckpresse sowie auf der eigenen Homepage www.himmelsthuer.de, man sei stolz darauf, dass alladventlich über 40.000 Kinderwunschbriefe aus aller Welt „im Namen des Weihnachtsmannes“ beantwortet würden, aber spröde wie der Niedersachse ist, lässt er dabei keinerlei märchenhafte Atmosphäre aufkommen.

So wird ebenso stolz berichtet, dass das „himmlische Postamt“ viel zu klein sei, um die Weihnachtspost zu bearbeiten, und dies deswegen in der Hildesheimer Hauptpost geschehe, wo aber nicht etwa zwei Dutzend Elfen bei Kerzenschein und Glockenklängen herumflinken, sondern sieben gewerkschaftskumpelige „Postlerinnen und Postler“ vor sich hin malochen und eigens zu diesem Zwecke vom inzwischigen „Postler a. D.“ Friedrich Senf geschriebene Geschichten in die Antwortbriefe tüten.

In bin mir ziemlich sicher, dass man Kinder so zu Bettnässern und Serienkillern macht: Erst bringt man sie dazu, an den Weihnachtsmann zu glauben und ihm auch noch zu schreiben, dann aber schockt man sie gewissenlos mit entzaubernden Details über die Hildesheimer Weihnachtspostrealität zwischen Thermoskanne, Butterstulle und Stechuhr. Fies, fies!

Ach so, bevor ich’s vergesse. Hier nun mein Weihnachtswunsch. Is’ nix Großes, aber dringend: Ich möchte bitte, bitte im nächsten Jahr keine E-Mails mehr mit dem Betreff „Triefend nasse Moesen“ bekommen. Das würde mir schon sehr helfen …