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Archiv-Artikel

Gegen den Dritte-Welt-Laden im Kopf

Um die „Angst vorm schwarzen Mann“ dreht sich eine Afrika-Reihe in Dortmund: Afrikaner sollten den westlichen Vorurteilen mit Mitleid begegnen und so selbst mehr über ihre eigene Geschichte und die Europas lernen

DORTMUND taz ■ „Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann?“ fragt eine dreiwöchige Afrika-Reihe in Dortmund. Das Magazin „Africa Positive“ ist auf Spurensuche: „Wir müssen endlich davon weg, Afrika nur unter dem Aspekt der Hilfebedürftigkeit zu diskutieren“, sagt Magazin-Mitarbeiterin Gisela Rappe. Doch selbst viele Besucher der Dortmunder Tagungen, Workshops und Vorträge hätten noch immer den „Dritte Welt-Laden“ im Kopf.

Ein anderes Bild vermittelte Tirmiziou Diallo. Der Soziologe aus Dakar entwickelte am Samstag auf der Fachtagung seine mitunter provokanten Gedanken zum Afrika-Bild der deutschen Medien: „Afrikaner, ich sage euch, ihr müsst mehr Mitleid haben mit den Europäern.“ Zwar seien die Zerrbilder über Afrika keinesfalls harmlos – „aber sie betreffen eher den, der sie produziert.“ Vorurteile seien nichts weiter als Projektionen des Selbst. „Das Bild, dass der Europäer von den Afrikanern entwirft, ist nur ein Ausdruck des Innenlebens des Europäers“, Ausdruck von Angst und Unverständnis: „Wer das begreift, darf Mitleid haben“. Einziger Ausweg für Diallo: „Kommunikation“ – dafür gab es viel Beifall eines überwiegend europäischen Publikums.

„Ich kenne zahlreiche Thesen über Afrika. Vieles habe ich gehört. Aber ab und zu sind kleine Perlen dabei“, freut sich Besucherin Ricki Farm, die über afrikanische Literatur promoviert hat und sich auf dieser Tagung mal „Professoren bei der Arbeit anguckt.“ Eine Tagung, die wissenschaftlich und bisweilen arg historisch über Afrika debattiert. Und wie so oft, wenn die Wissenschaft das Wort ergreift, bleibt aktuelle Realität oft Randnotiz. Denn das „Trauma der Sklaverei“, wie es Historikerin Paulette Reed- Anderson in ihrem Vortrag nennt, „ist immer noch nicht verarbeitet. Und Europa müsse endlich Verantwortung übernehmen. Wer wisse schon, dass Europa mehr Sklaven verschlissen hat als Mittelamerika? Wer nehme zur Kenntnis, dass europäischer Wohlstand hauptsächlich durch die Sklavenarbeit akkumuliert wurde?

Jean A. aus Nigeria wusste es nicht – er besuchte die Tagung, „um etwas über die afrikanische Geschichte zu lernen.“ Für ihn eine Art Spurensuche, denn der Nigerianer, vor zehn Jahren mit dem Schiff nach Deutschland geflüchtet, steht für ein anderes afrikanisches Trauma: Armut. „Ich wollte nach Europa, weil ich in meiner Heimat keine Zukunft hatte. Ich wollte Bildung.“ Dass er hier keine kriegt, weil er nicht die richtigen Papiere hat, damit hatte er nicht gerechnet. Und er steht damit wie Tirmiziou Diallo in der Podiumsdiskussion erwähnt, für ein verbreitetes afrikanisches Schicksal, das auch auf fehlendem Dialog fußt: „Viele in Afrika halten Europa für das El Dorado, für ein Land mit goldenen Straßen.“ Beide Seiten seien von Unwissenheit bestimmt, von falschen Bildern und Projektionen.

Für die afrikanischen Migranten in Deutschland macht der Sender Afro-TV Berlin – der sich ebenfalls in Dortmund präsentiert – Programm. Redakteur Andrè Degbeon ist gekommen, um Beispiele aus der Praxis zu zeigen. „Wir senden für junge afrikanische Migranten in Berlin und wollen ein positives Afrika- Bild vermitteln.“ Ob Nachrichten aus Afrika, Projekte oder afrikanische Küche – „unsere Botschaft ist immer positiv“. Darauf legt er Wert: „Für die negativen Klischee-Bilder sorgen ja schon die anderen“, sagt er und schultert seine Kamera, um positive Bilder einzufangen. ALEXANDRA TRUDSLEV

„Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann“ in der Dortmunder VHS; noch bis zum 26. November: Informationen unter 0231/5022431