vergnügen für die armen von RALF SOTSCHECK
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Ach, diese Schotten. Da erstreiten sie sich nach 300 Jahren Fremdherrschaft ein eigenes Parlament, und dann beschließt das als erste Maßnahme, die es auf die Titelseiten der überregionalen Zeitungen schafft, das Rauchen an sämtlichen Arbeitsplätzen zu verbieten. Noch vor Weihnachten soll das Gesetz, über das sich alle Parteien einig sind, verabschiedet werden, so dass es im Frühjahr 2006 in Kraft treten kann.

Schottland wird der erste rauchfreie Teil Großbritanniens, doch aus Wales wird gemeldet, dass man es den Schotten gleichtun will. Aber weil die Waliser nur ein Mickymaus-Parlament haben, das nicht viel zu sagen hat, müssen sie die Erlaubnis für das Rauchverbot in London einholen. Was ist bloß mit den Kelten los? Erst die Iren, nun die Schotten und dann die Waliser. Wollen sie die Engländer, von denen sie vor Jahrhunderten unterworfen wurden, nachträglich durch Nichtrauchen besiegen? Der britische Gesundheitsminister John Reid lehnt ein Rauchverbot für England ab, weil es eines der „wenigen Vergnügen ist, die den Armen bleiben“. Den Armen? Bei acht Euro für ein Päckchen Zigaretten?

Schottlands Premierminister, Exraucher Jack McConnell, freut sich, dass sein Land den Titel als „kranker Mann Europas“ demnächst abgeben wird. Die Gastwirte aber befürchten bereits das Schlimmste. Sie rechnen mit dem Verlust von 30.000 Arbeitsplätzen, wenn das in Schottland allseits beliebte dreigängige Menü abgeschafft wird: ein kleines Bier, ein großer Whisky und eine Kippe.

Aber auch für die schottische Eisenbahn ist die Entscheidung des Parlaments eine Katastrophe. Das privatisierte Unternehmen GNER hatte einen Plan ausgeheckt, um aus den roten Zahlen herauszukommen: Sämtliche Fernzüge sollten mit hochmodernen Waggons für Raucher ausgestattet werden. Zu dem Erneuerungsprogramm gehören Dunstabzugshauben, rauchundurchlässige Trennwände, Steckdosen, Internet-Anschlüsse und Sitze mit größerer Beinfreiheit. „Wozu Beinfreiheit“, wunderte sich ein nicht rauchender Abgeordneter, „den Rauchern werden die Beine früher oder später doch ohnehin amputiert.“

Die neuen Waggons – das einzige öffentliche Verkehrsmittel in Großbritannien, in dem Raucher willkommen sind – kosten umgerechnet 45 Millionen Euro. Ein Drittel davon ist bereits in Betrieb. „Die Leute wollen auf langen Strecken rauchen“, sagte ein Sprecher des Unternehmens, „das haben die Rückmeldungen gezeigt.“ Theoretisch dürften die Fahrgäste auf der Strecke London–Glasgow auch nach Frühjahr 2006 rauchen, jedenfalls bis zur schottischen Grenze, doch der Sprecher winkte ab. Es sei den Angestellten nicht zuzumuten, nach Überqueren der unsichtbaren Grenze durch den Zug zu rennen und den Fahrgästen die brennenden Kippen wegzunehmen.

So bleibt wohl nur die Lösung, die auf den Strecken ins schottische Hochland praktiziert wird. In den kleinen Eisenbahnen herrscht schon lange Rauchverbot, aber die Lokführer legen alle halbe Stunde auf einem Bahnhof einen längeren Zwischenstopp ein und verkünden über das Lautsprechersystem: „Die Raucher bitte heraustreten. Wir machen eine Zigarettenpause.“