: Oranje boven
Beim 2:1 gegen den 1. FC Nürnberg steigert Gladbachs neuer Trainer Dick Advocaat zunächst mal die Effizienz
MÖNCHENGLADBACH taz ■ Trotz unmittelbarer Grenznähe hat Borussia Mönchengladbach in 40 Jahren Bundesliga bisher nur mit bescheidenem Erfolg auf niederländisches Personal gesetzt. Die Herren Willaarts, Huiberts, Ter Avest waren veritable Graupen. Arie van Lent geht allenfalls als halber Holländer durch. Und Rainer Bonhof wechselte mit 17 gerade noch rechtzeitig die Staatsbürgerschaft, um wenige Jahre später als Deutscher ausgerechnet gegen die Niederlande Weltmeister zu werden.
Seit anderthalb Wochen aber heißt es am Niederrhein nun „Oranje boven“. Der neue Trainer Dick Advocaat und sein Adlatus Pim Verbeek sollen die heimische Borussia bis 2007 einen Fußball lehren, der 30 Jahre nach Weisweiler wieder mehr nach niederländischem Zungenschnalz-Kick aussieht als nach deutscher Holzhackerei. Ein Job, der dem holländischen Kompetenzteam vermutlich einiges abverlangen wird. „Qualität und Arbeit macht Erfolg“, sprach Advocaat nach seiner siegreich absolvierten 2:1-Heimpremiere gegen den 1. FC Nürnberg viel sagend, „und arbeiten können wir alle …“
Über die Qualität seines Kaders verlor der bekannt mundfaule Fußballlehrer dagegen kein Wort. Das war auch nicht nötig. Dass er Christian Ziege die Grundlangsamkeit, Bernd Korzynietz die Fehlflankenquote und Marek Heinz den Hang zur Stehgeigerei austreiben wird, ist so wahrscheinlich wie für Jeff Strasser eine Saison ohne gelbe Karte. Dass er seinen Eleven seit seinem Amtsantritt hingegen einen Crashkurs in Effektivität verabreicht hat, dies war für alle offensichtlich. Drei Chancen, zwei Tore – viel besser kann es eine Elf, die sich so wenig Chancen herausarbeitet wie kaum eine andere, nicht machen.
Die Gäste aus Nürnberg gaben sich aber auch wenig Mühe, einmal auszutesten, ob die Borussen die in bekannt knuffigem Hollando-Deutsch vorgetragenen Erklärungen ihres neuen Übungsleiters überhaupt verstanden hatten. Keine Spur vom Selbstbewusstsein der letzten Wochen, kein Spielwitz aus der slowakischen Schule, keine Aggressivität im Angriff. Die bisher so treffsicheren Schroth, Vittek und Mintal waren 91 Minuten lang so gut wie nicht zu sehen. Erst in der 92. Minute und somit Sekunden vor dem Abpfiff durfte Mintal für sein persönliches Erfolgserlebnis sorgen, als er einen Handelfmeter zum bedeutungslosen Anschlusstor und somit zu seinem zehnten Saisontreffer versenkte.
„Kein großes Spiel“ hatte Club-Trainer Wolfgang Wolf mit den 46.000 im Stadion gesehen, dafür aber zumindest beim Gegner Fortschritte dahingehend erkannt, dass dieser in der Abwehr „gut verschoben“, seinen Top-Torjäger erfolgreich „gedoppelt“ und zudem auch mal einen Ball planlos weggeschlagen habe, „damit es mit einem Einwurf weitergeht“. Advocaat wollte die Beobachtungen seines Kollegen denn auch nicht in Abrede stellen, ergänzte allerdings, zumindest das 2:0 durch Václav Sverkos nach einer trefflichen Kombination über Kluge und Neuville sei doch wohl ein „Supergoal“ gewesen.
Trotz dieses fürwahr sehenswerten Treffers, der wiedergefundenen Gefährlichkeit eines Oliver Neuville (1:0, 19. Minute, Foulelfmeter) und dem gelungenen Saisondebüt des von Vorgänger Holger Fach gänzlich verschmähten Gladbacher Fußballgottes Igor Demo dürfte der einstige niederländische Bondscoach bei seinen Jungs mehr Schatten als Licht gesehen haben. Er stand jedenfalls während der Partie mehr vor der Trainerbank, als auf selbiger zu sitzen. Gestikulierte, winkte, wedelte. Und rehhagelte sich bisweilen regelrecht in Rage, indem er auf zwei Fingern schrille Pfiffe durch den Borussia-Park gellen ließ.
Wie dem auch sei: Zweieinhalb Jahre will das Vereinspräsidium der Gladbacher Dick Advocaat Zeit geben, um an seine Erfolge aus Eindhoven, bei den Glasgow Rangers sowie, nun ja, der holländischen Nationalmannschaft anzuknüpfen und die Borussia wieder zu einem Topteam der Liga zu machen. Ein erster Anfang ist gemacht: Zwei ungeschlagene Spiele in Folge gelten in Mönchengladbach nach den Erfahrungen der letzten Jahre fast schon als beachtliche Serie. HOLGER JENRICH