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Archiv-Artikel

„Ich lasse mir nicht alles kaputt machen“

Der stellvertretende Betriebsratschef der Bochumer Opel-Arbeiter, Rainer Einenkel, über die heiße Phase der Verhandlungen mit General Motors, die Eigendynamik des Bochumer Opel-Protests und die Schwierigkeit, vernünftige Wahlzettel herzustellen

INTERVIEW VONKLAUS JANSEN

taz: Herr Einenkel, sie verhandeln in Rüsselsheim mit dem Management über die Zukunft von Opel. Was müssen sie mindestens erreichen, damit es die Belegschaft akzeptiert?

Rainer Einenkel: Keine Werksschließungen, keine betriebsbedingten Kündigungen, Erhalt der Komponentenproduktion in Bochum. Es macht keinen Sinn, irgendetwas auszuhandeln, wenn die Menschen nicht langfristig in Bochum Beschäftigung haben.

Wäre es ein Erfolg, statt 4.000 nur 2.000 Stellen zu verlieren?

Wenn nur einem Mitarbeiter gekündigt wird, wäre es kein Erfolg. Das Einzige was wir hinnehmen, ist ein sozialverträglicher Stellenabbau. Das heißt, Kolleginnen und Kollegen können aus freien Stücken aus dem Betrieb ausscheiden, über den Weg einer freiwilligen Transfergesellschaft, Vorruhestand oder Abfindungen. Das darf aber nicht erzwungen werden.

Hat General Motors etwas Neues in Aussicht gestellt?

Es gibt eine gemeinsame Absichtserklärung des Betriebsrats und des Managements, dass alle Standorte auch über 2010 hinaus erhalten bleiben sollen. Jetzt geht es darum, das mit Leben zu erfüllen. Wir brauchen eine verbindliche Zusage, nach 2009 ein Nachfolgemodell für den Astra und den Zafira zu bekommen. Momentan gibt es die nicht.

Trotzdem verbreiten sie in der Presse ständig gute Nachrichten.

Das stimmt so nicht. Zuerst habe ich gesagt, dass die Belegschaft kreative Maßnahmen ergreift, wenn das Management hart bleibt. Einen Tag später erst habe ich hinzu gefügt, dass Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen vom Tisch sind. Ich bleibe bei beiden Aussagen. Wir haben Signale gehört, ich bleibe aber skeptisch. Denn dem Management traue ich die Schlitzohrigkeit zu, die Belegschaft mit solchen Sachen beruhigen zu wollen.

Dennoch deeskalieren Sie, während Opel das Gegenteil tut und zwei Mitarbeitern kündigt.

Das ist eine Frechheit. Opel sagt zwar, dass stehe nicht in direktem Zusammenhang mit den Informationstagen – wir Betriebsräte sehen das anders. Darum haben wir auch einstimmig den Kündungen widersprochen.

Während des Streiks war man nicht so einstimmig. Ist der Betriebsrat von der Dynamik der Aktionen überrollt worden?

Was da passiert ist, war einmalig im Land. Die Kreativität, mit der die Kollegen Druck aufgebaut haben, das Besetzen der Tore...

War das mit dem Betriebsrat abgesprochen?

Das musste man nicht absprechen. Alle Betriebsräte haben die Form des Protests für gut empfunden. Das darf keine Eintagsfliege bleiben. Zukünftig müssen wir das noch besser, noch qualifizierter begleitet hinkriegen.

In den ersten Stunden haben die Arbeiter selbst die Sache voran getrieben. Konnten sich Betriebsratsvorstand und IG Metall dahinter verstecken?

Wir haben uns noch nie versteckt. Management und Kollegen aus anderen Werken behaupten, wir Bochumer Betriebsräte seien der Auslöser gewesen, weil wir nach den Gesprächen mit dem Opel-Vorstand über die Zahl von 4.000 gefährdeten Stellen informiert haben. Speziell mir ist vorgeworfen worden, ich hätte das nicht machen dürfen. Das diese Zahl heftige Reaktionen auslöst, war uns eigentlich klar. Wir hatten allerdings gehofft, dass das Management den Mut hat, das selbst zu erklären – da das nicht geschehen ist, ist die Sache zwangsweise eskaliert.

Viele Arbeiter hätten gerne weiter gestreikt. Bei der entscheidenden Abstimmung war die Wut über die Stimmzettel riesengroß, mit denen Verhandlungen und Wiederaufnahme der Arbeit verknüpft wurden. Es gibt Gerüchte, dass Betriebsrat und Geschäftsführung die Fragestellung abgesprochen haben.

Davon ist mir nichts bekannt. Aber die Werksleitung hat den Zettel natürlich vor den Werkstoren gesehen, sie hat ja an diesem Tag die Organisation übernommen.

Aber auf die Formulierung hat sie keinen Einfluss genommen?

So weit ich weiß: Nein.

Wie stehen sie denn persönlich zu den Stimmzetteln?

Man hätte das sicherlich anders formulieren müssen. Aber wir hatten ja auch keinerlei Erfahrung mit solchen Belegschaftsabstimmungen. Es ist einmalig in diesem Land und erst recht für diesen Betrieb, dass eine Belegschaft über die Fortführung einer solch spontanen Bewegung abstimmt! Ich bin aber jetzt nicht derjenige mit dem Heiligenschein der sagt, man hätte das so und so machen müssen – wir haben das gemeinsam entschieden, und als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender übernehme ich da auch politisch die Verantwortung.

Bei einem Teil der Belegschaft macht seitdem das Wort vom Arbeiterverrat die Runde.

Das ärgert mich einfach. Weil durch eine sehr unglückliche Formulierung eine eigentlich sehr gute Sache völlig anders diskutiert wird. Ich habe es ja miterlebt: Ein Großteil der Beschäftigten hat von vornherein gewusst, wie sie abstimmen wollten und hat darum bereits zu Beginn der Belegschaftsversammlung abgestimmt.Trotzdem entschuldigt das nicht, dass man das hätte besser machen müssen.

Der Ärger ist nun da. Wird es jetzt nicht unheimlich schwierig, der Belegschaft demnächst das Ergebnis der Verhandlungen mit GM zu verkaufen?

Aus diesem Grund will ich ja klar machen, dass die Informationstage nicht umsonst gewesen ist sind. Ich glaube, dass die Aktion ein Erfolg war: Wir haben das Management dazu gebracht, seine knallharte Haltung aufzubrechen. Das war ein Erfolg der Bewegung, den wir uns von niemandem kaputtreden lassen – auch wenn viele Leute sagen, ich würde die Dinge optimistischer machen, als sie sind. Nochmal: Nicht alles ist rosig, aber ich lasse auch nicht alles kaputt machen.