: Straßen von San Francisco
Das Wichtigste im Leben ist die Zigarettenmarke: Chuck Prophet ist der alte, müde Hund unter den Sängern. Heute Abend wird er auf der Knust-Bühne winseln. Und von den Toten wiederauferstehen
von Marc Peschke
Chuck Prophet ist irgendwie doch immer derselbe geblieben. Der böse Junge aus San Francisco, der mit der Zigarette in der hohlen Hand auf die Bühne steigt und den Mund spöttisch verzieht, der traurige Junge mit den verheulten Augen, der böse Junge, der von sich behauptet, die wichtigste Veränderung in seinem Leben sei der Wechsel der Zigarettenmarke – der Junge, der sein ganzes Leben nichts anderes getan hat, als Gitarre zu spielen.
Mädchen aufgepasst! Im Knust wird an diesem Abend Jungenmusik gespielt. Musik aus der Garage. Musik mit Wurzeln. Straßenköter-Rock. Handgemacht klingt es und staubig, denn hier steht nicht irgendein Hanswurst auf der Bühne, sondern, meine Damen und Herren, much respect, Chuck Prophet, und der Junge hat eine Geschichte. Wer auf Handgemachtes stand – aber bitte, bitte nicht die Stones –, für den war Prophets alte Band Green On Red mit Platten wie No Free Lunch oder Here Come The Snakes vor 20 Jahren eine echte Alternative.
Zum Psycho-Folk-Rock von damals ist bei Chuck Prophet heute eine gute Portion Seelenschmerz gekommen. Mit seinem neuen, bei Blue Rose erschienenen Album Age Of Miracles hat Prophet eine seiner besten Platten aufgenommen. Prophet ist ein Gitarrist aus der Neil Young-Schule, seine solistischen Einwürfe sind brockig und roh, wo sich seine Sidemen an Bass, Gitarre, Schlagzeug und Keyboard stets um lässige, swingende Südstaaten-Eleganz bemühen.
Chuck Prophet ist kein großer Sänger, war es auch noch nie. Er näselt wie Dylan, zischt gerne unverständliche Ansagen in die Runde – und immer dunkler und unheimlicher wird die Atmosphäre, seine Musik wird zum treibenden, düsteren Tanz. Wenn Prophet zum Solo ansetzt, sieht das sonderbar aus; dann pumpt er sich Luft in die Backen, verdreht die Augen, und erst dann folgt die Musik seiner Physiognomie.
Gerne spielt Chuck Prophet den Derwisch, den Gitarrenschamanen, doch auch das schmalzige Gitarrensehnen beherrscht er wie wenige andere. Bei seinen zuckersüßen, souligen Popballaden lässt er einzelne Töne in der Luft stehen, schickt sie in den Raum, zieht sie hinein ins Ewige. Doch schon bald wird sich Prophet selbständig machen, verstört über die Bühne wanken, mit den Augen rollen, Zeilen wie „I wish I was dead“ winseln. Sich vielleicht sogar auf die Knust-Bühne legen wie das Mädchen im Blumenkleid auf dem Cover von Age Of Miracles, jammern wie ein alter, müder Hund. Und nach einiger Zeit wieder von den Toten auferstehen. So macht er das nämlich gerne, Chuck Prophet, ewiger Straßenköter.
Heute, 20 Uhr, Knust