piwik no script img

Archiv-Artikel

Neuer Anlauf für Verbraucherinformationen

Die Bundesregierung versucht ein 2002 gescheitertes Gesetz wieder zum Leben zu erwecken. Dazu nutzt sie die neuen Regelungen zu Lebens- und Futtermitteln. Doch die Industrie wird geschont, wenn sie selbst Probleme meldet

BERLIN taz ■ Wenn Frostschutzmittel in den Wein geraten ist oder sehr viel Dioxin ins Tierfutter, müssen die Behörden die Öffentlichkeit informieren – falls die Gesundheit gefährdet ist. Anders ist das in weniger skandalösen Fällen – zum Beispiel wenn einer Pestizidbelastung unterhalb der Gefährdungsgrenze liegt oder bei Betrügereien, wenn etwa der Schinken regelmäßig zu viel Wasser enthält.

Auch in diesen Fällen sollen Bürger und Organisationen nach dem Willen der rot-grünen Koalition künftig einen Anspruch auf Information haben, wenn sie einen Antrag an die Behörde stellen, zum Beispiel an die Lebensmittelkontrollstellen der Länder. Die Parlamentarier wollen dies in das geplante neue Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch einfügen.

Ein entsprechender Antrag hat den Verbraucherausschuss des Bundestages passiert. Am 26. November wird das Gesetz im Bundestag, im Dezember im Bundesrat beraten. Der Entwurf orientiert sich an dem einst von Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) geplanten Verbraucherinformationsgesetz, das 2002 im Bundesrat an der Union gescheitert war.

Künasts parlamentarischer Staatssekretär Matthias Berninger (Grüne) rechnet sich dieses Mal bessere Chancen auf: „Wir sehen bei der Union Signale für eine Zustimmung“, sagte Berninger, auch wenn die in der vergangenen Woche im Verbraucherausschuss dagegen gestimmt habe. Neu ist, dass erstmals Lebensmittel- und Futtermittel gemeinsam geregelt sind. „Dann nimmt auch die Justiz Futtermittelverstöße ernster“, hofft Berninger. Derzeit würden diese lascher geahndet als beim Lebensmittelrecht.

Der Entwurf sieht einheitliche Standards für alle Bundesländer vor, was sie im Krisenfall der Öffentlichkeit mitteilen dürfen und wofür der Bund zuständig ist. Im Gegensatz zu dem früheren Künast-Entwurf werden aber Unternehmen geschont, wenn sie ein Problem freiwillig an die Behörden melden. Sofern keine Gesundheitsgefährdung vorliegt, dürfen die Behörden schweigen. „Wir wollen Unternehmen nicht den Anreiz nehmen und sie bestrafen, wenn sie sich selber melden“, sagte Berninger. Das komme auch der Union entgegen. Das Unternehmen erhalte damit die Chance, den Fall selber zu regeln.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen begrüßt den erneuten Vorstoß. „Er geht aber nicht weit genug“, sagt Helke Heidemann-Peuser, Referatsleiterin für Wirtschaftsrecht. Knackpunkt sei, dass die Namen von Firmen, die gegen das Recht verstießen, nicht genannt werden müssten. Die Verbraucherzentralen haben damit Erfahrung in Schleswig-Holstein, einem der vier Bundesländer, die bereits ein Informationsfreiheitsgesetz haben. Dort wollten die Verbraucherschützer die Namen der Firmen erfahren, die nach Informationen der Eichämter regelmäßig zu wenig Schinken in der Packung hatten und reichten Klage ein. Doch das brachte zunächst nicht den gewünschten Erfolg. Die Gerichte stellten das Unternehmensinteresse über das der Verbraucher. Die Berufung läuft vor dem Oberverwaltungsgericht.

Der Informationsanspruch im Entwurf soll sich auch auf Kosmetika und Bedarfsgegenstände beziehen. Dazu gehören Spielzeug, Schmuck, Wäsche und Verpackungen. BEATE STRENGE