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Archiv-Artikel

Foltervorwurf vor Gericht

Morgen beginnt in Frankfurt der Prozess gegen den früheren Polizeivizepräsidenten Daschner. Der Beamte drohte dem Entführer des Bankierssohns Metzler mit der Zufügung von Schmerzen – und löste damit eine bundesweite Debatte aus

AUS FRANKFURT AM MAIN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Vor der 27. Strafkammer am Landgericht in Frankfurt am Main beginnt morgen der Prozess gegen den ehemaligen Polizeivizepräsidenten der Mainmetropole, Wolfgang Daschner. Die Staatsanwaltschaft wirft dem inzwischen in das Innenministerium in Wiesbaden versetzten Beamten „Nötigung in einem besonders schweren Fall“ vor. Das Strafmaß dafür: sechs Monate bis fünf Jahre.

Am 1. Oktober 2002 soll Daschner einen ebenfalls angeklagten Polizeibeamten angewiesen haben, dem bereits festgenommenen Tatverdächtigen Magnus Gäfgen das Zufügen von Schmerzen anzudrohen, wenn der den Aufenthaltsort des entführten Bankierssohns nicht preisgebe. Der Kommissar, der nach Auffassung der Staatsanwaltschaft von Daschner „zu der Tat verleitet“ worden sei, habe Gäfgen dann „sehr deutlich gemacht, dass wir ihm wehtun würden, bis er den Aufenthaltsort des Kindes nennt“, so die Version von Daschner.

Der inzwischen wegen Mordes und erpresserischen Menschenraubs zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte Gäfgen schilderte die Verhörsituation während seines Gerichtsverfahrens vor zwei Jahren allerdings sehr viel drastischer. Ihm sei angedroht worden, „mit zwei großen fetten Negern“ in eine Zelle gesperrt zu werden, die sich dann an ihm „sexuell vergehen“ würden.

Daschner, der die Folterandrohung als korrekter Beamter in einem Aktenvermerk dokumentierte, bestreitet das vehement. Und in der Monate dauernden Hauptverhandlung gegen Gäfgen wurde deutlich, dass das ganze Erwachsenenleben des weit über seine finanziellen Verhältnisse lebenden „Maggi“, so sein Spitzname, eine einzige große Lüge war.

Die unstrittige Schmerzandrohung jedenfalls löste in Deutschland eine heftige Debatte um die Zulässigkeit solcher Verhörmethoden in ganz bestimmten Einzelfällen aus. Nach einer Umfrage des Magazins Stern Ende 2002 vertraten 60 Prozent der Befragten die Auffassung, dass Daschner nicht bestraft werden dürfe, weil er doch aus lauteren und nachvollziehbaren Motiven heraus gehandelt habe.

Bei Juristen hat Daschner dagegen nur wenig Zustimmung erfahren. Das aus der Menschenwürde abgeleitete absolute Folterverbot könne nicht gegen andere Rechtsgüter abgewogen werden, befand etwa der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth, konnte sich als einer von wenigen Juristen Fälle vorstellen, in denen Folter erlaubt sein könnte. Ein entsprechendes Interview führte zu seinem Rücktritt.

Das Gericht wird nun klären müssen, ob es sich bei dem wohl eindeutigen Verstoß gegen das Folterverbot um einen minder schweren Fall handelt. Schließlich sei es den Angeklagten doch um das Leben des Kindes gegangen, so etwa die Einlassung auch des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Der 11-jährige Jakob war zu jenem Zeitpunkt allerdings schon tot.

Daschner selbst erklärte vor wenigen Tagen überraschend, er habe sich bei der Landesregierung Rückendeckung für seine verbotene Vorgehensweise geholt. Im Innenministerium sei seine Anfrage mit den Worten beschieden worden: „Machen Sie das!“ Das Innenministerium dementierte energisch. Daschners Anwalt Eckart Hill räumte gestern ein, dass sein Mandant weder mit Innenminister Volker Bouffier (CDU) noch mit dessen Staatssekretär und heutigen Wirtschaftsminister Udo Corts (CDU) gesprochen habe.