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Archiv-Artikel

Der falsche Trott

Mutmaßlicher Polizeispitzel forschte ein Jahr lang Hamburgs linke Szene aus. Gab Senator Udo Nagel den Einsatzbefehl? Innenbehörde schweigt sich aus

Nur ein Zufall brachte es ans Licht. Am Montag vergangener Woche bereitete sich der junge Aktivist, der in der linken Szene unter dem Namen Christian Trott bekannt ist, gerade auf eine Aktion der Hamburger Attac-Gruppe „Sozialer Ungehorsam“ gegen die Einführung der Ein-Euro-Jobs vor. Da erkannte ihn ein Bekannter aus Schulzeiten. Trott verschwand auf einmal wort- und spurlos. Und der Bekannte plauderte aus: Der Mann, der sich Trott nannte, heißt in Wirklichkeit Kristian K. und arbeitet seit Jahren für die Polizei.

Seitdem ist sich die linke Szene der Hansestadt sicher, einen Spitzel enttarnt zu haben, der gezielt Strukturen verschiedener Gruppen im staatlichen Auftrag ausspionieren sollte. Nachprüfungen ergaben, dass der verdeckte Ermittler aus Kiel stammt und nach dem Abitur tatsächlich bei der Polizei anheuerte. Sämtliche Versuche seiner Hamburger Bekannten, den etwa 25 Jahre alten Mann zu kontaktieren, scheiterten. Zwar nimmt die Mobilbox seines Handys nach wie vor Nachrichten entgegen, persönlich zu erreichen ist der Enttarnte aber nicht.

Seit vergangenem November suchte der Mann, der Christian Trott war, Anschluss an diverse politische Zirkel: So tauchte er bei Bauwagen-Plena auf, suchte Kontakt zur anarcho-syndikalistisch orientierten Freien Arbeiter Union (FAU), zu Attac-Gruppen, zum Sozialen Zentrum in Norderstedt und auch zum AStA der Universität für Wirtschaft und Politik (HWP).

Dessen Sprecher Bela Rogalla hält den „Einsatz eines verdeckten Ermittlers gegen Studierende“ für einen „handfesten Skandal im Rechtsstaat“. Da die Polizei verdeckte Ermittler nur zur Aufklärung und Abwehr schwerwiegender Straftaten und zur Aufdeckung organisierter Kriminalität einsetzen dürfe, sei es „völlig unverständlich, weshalb ein solch gravierendes Eingriffsmittel im Zusammenhang mit den ausgespähten Gruppen gerechtfertigt sein soll“.

Juristisch und politisch pikant dabei ist: Nach geltendem Recht muss der verdeckte Einsatz vom Polizeipräsidenten persönlich abgesegnet werden. Das war, als Kristian K. seine Hamburger Aktivitäten begann, der heutige Innensenator Udo Nagel.

Die ASten der Hamburger Uni und der HWP fordern jetzt in einer gemeinsamen Erklärung den Senat auf, öffentlich zu dem Fall Position zu beziehen. Die zuständige Innenbehörde aber blockt ab. „Zu verdeckten Ermittlungstätigkeiten nehmen wir prinzipiell keine Stellung“, gibt sich Behördensprecher Marco Haase einsilbig.

Der Einsatz von Kristian K. ist der erste bekannt gewordene Einsatz eines verdeckten Ermittlers in der Hamburger linken Szene seit sieben Jahren. Ende 1997 war ein Polizeispion aufgeflogen, der in mehrere antirassistische Gruppen eingesickert war. Marco Carini