MIT CONDOLEEZZA RICE SCHRUMPFEN TONY BLAIRS SPIELRÄUME WEITER : Pudeltaube an der Themse
Tony Blair würdigte ihn als „außergewöhnlichen Mann und guten Freund unseres Landes“. Mit Colin Powells Rücktritt hat der britische Premierminister seinen engsten Verbündeten in Washington verloren. Blair und Powell überredeten den US-Präsidenten George Bush im Jahr 2002, seine Pläne für den Irakkrieg den Vereinten Nationen vorzulegen. Und der US-Außenminister hielt seinen britischen Amtskollegen Jack Straw ständig darüber auf dem Laufenden, was sich in Washington anbahnte. Powells Nachfolgerin Condoleezza Rice wird sich weniger um den Verbündeten in Übersee kümmern – darüber ist man sich in London im Klaren.
Doch Blair benötigt Zugeständnisse aus Washington, denn er will seinen Ruf als „Pudel des US-Präsidenten“ loswerden. Anders als Bush, dem die Wählerstimmen fortan egal sein können, muss Blair sich im Frühjahr dem Urteil der Nation stellen. Für seine außenpolitische Profilierung will Blair sich die Wiederbelebung des Friedensprozesses im Nahen Osten ans Revers heften, den er als „dringendste politische Herausforderung in der Welt“ bezeichnet hat. Er setzt darauf, dass Bush in seiner zweiten Amtszeit dabei eine aktivere Rolle spielen wird, doch Powell wäre ihm in dieser Sache nützlicher gewesen als Rice.
Im Tod Jassir Arafats sieht Blair allerdings eine Möglichkeit, eine neue diplomatische Initiative in Richtung Israel und Palästina zu starten, denn die USA hatten dem Palästinenserführer schon lange die kalte Schulter gezeigt. Immerhin weiß Bush, dass er Blair wegen der Unterstützung im Irak viel zu verdanken hat. Ob der britische Premier dafür mehr als warme Worte erhält, ist jedoch ungewiss.
Was den britischen Premierminister beunruhigt, sind die aggressiven Töne aus Washington in Richtung Iran und Nordkorea, die denen im Vorfeld des Irakkrieges ähneln. Einen weiteren Krieg an der Seite Bushs kann sich Blair nicht leisten, zumal Frankreich und Deutschland diesmal erst recht auf Diplomatie setzen. So muss Blair alles tun, um die US-Regierung von neuen Kriegsplänen abzubringen. Sich als Taube zu geben, ist mit Rice nicht leichter geworden. RALF SOTSCHECK