: Drohungen gegen Preisverweigerer
GASPREISE Eon Hanse setzt ein Inkasso-Büro auf Kunden an, die die Gaspreiserhöhungen verweigert haben. Verbraucherzentrale und Datenschützer kritisieren Weitergabe von Kundendaten an Wirtschaftsauskunftei
Rund 30.000 Eon-Hanse-Kunden verweigern nach Angaben des Unternehmens die Preiserhöhungen der vergangenen Jahre. Die meisten von ihnen zahlen letztendlich aber die Preiserhöhungen unter Vorbehalt.
■ Rund 500 Eon-Hanse-Kunden haben ihre Zahlungen an den Gasversorger gekürzt, zahlen die Differenz zwischen alten niedrigeren und späteren höheren Preisen nicht. Manche bereits seit 2004, andere stiegen erst später in den Boykott ein.
■ Post vom Insolvenz-Verwalter erhielten nach Unternehmensangaben nur „einige Dutzend (Ex-) Kunden“, die inzwischen den Gasversorger gewechselt haben. Genauer kann Eon-Hanse die Zahl nicht beziffern, sie liege aber auf alle Fälle „im zweistelligen Bereich“.
■ Seit Anfang des Jahres senkte das Unternehmen aufgrund des niedrigen Gaspreises seine Tarife in zwei Stufen zum 1. Februar und 1. April um insgesamt knapp 20 Prozent. mac
VON MARCO CARINI
Schwere Geschütze im Kampf gegen Kunden und ehemalige Kunden, die umstrittene Preiserhöhungen nicht zahlen wollen, fährt der Gasanbieter Eon Hanse auf: Auf „mehrere Dutzend“ Boykotteure in Schleswig-Holstein und Hamburg hat das in Quickborn ansässige Unternehmen nach eigenen Angaben ein Inkasso-Unternehmen angesetzt, das den preiskürzenden Verbrauchern mit der „Pfändung ihrer persönlichen Habe“ oder ihrer Lohn- und Gehaltskonten, sowie einem kostenpflichtigen „Besuch“ eines Außendienst-Mitarbeiters droht.
Was die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein als „skandalöse Vorgehensweise“ und „groben Einschüchterungsversuch“ bewertet, ist für Eon Hanse nur ein „branchenübliches Verfahren“. „Wir versuchen mit diesem Schritt nur, doch noch eine außergerichtliche Einigung zu erzielen“, verteidigt die Sprecherin der Eon Hanse Vertriebs GmbH, Iris Franco-Fratini, das umstrittene Vorgehen.
In ihren mit einem Zahlungsultimatum versehenen Schreiben, droht die „Hanseatische Inkasso-Treuhand GmbH“ den Ex-Kunden zudem mit „erheblichen Mehrkosten“ und sogar damit, dass „ihre Energieversorgung zwangsweise eingestellt“ werde. Für den Hamburger Anwalt Arno Timmermann, der mehrere Eon Hanse-Kunden berät, ist das nicht nur „ein massiver Versuch, die Kunden einzuschüchtern“, sondern auch „zumindest in Teilen rechtswidrig“.
Timmermann hat inzwischen Beschwerde gegen diese Vorgehensweise beim Amtsgericht Altona eingelegt. Sein Tipp an die Betroffenen: „Nicht bezahlen, wütend zurückschreiben, den Inkasso-Mitarbeitern Hausverbot erteilen und mit einer Strafanzeige drohen.“
Aus Sicht der Leiterin der Verbraucherzentrale Norderstedt, Juleka Schulte-Ostermann, nehmen die Empfänger der Schreiben, „nur ihr Recht wahr, die Abschläge zu kürzen, solange der Energieversorger nicht die so genannte Billigkeit seiner Preiserhöhungen nachweist.“ Solange dies nicht geschehe, seien „die geltend gemachten Forderungen nicht fällig und brauchen auch nicht bezahlt zu werden“.
Für die Verbraucherschützerin ist die Beauftragung des Inkasso-Unternehmens „ein weiterer Schritt in einer langen Reihe von Versuchen der Eon Hanse, ihre Kunden massiv unter Druck zu setzen“. Mal würde Kunden, die sich geweigert hätten, die höheren Preise zu bezahlen „gedroht den Gashahn abzudrehen, mal Gerichtsurteile falsch wiedergegeben“, um die Gaspreis-Boykotteure weichzukochen. Nun aber sei „eine neue Qualität der Einschüchterung erreicht“.
Zudem verbirgt sich hinter der Allianz von Gasversorger und professionellen Zahlungseintreibern noch ein Datenschutz-Skandal. Nach Informationen der Verbraucherzentrale leitete die Hamburger Inkasso-Gesellschaft Eon-Kundendaten an die Schweizer Wirtschaftsauskunftei „Deltavista“ weiter, einem mit der deutschen „Schufa“ zu vergleichendem Unternehmen.
Anwalt Timmermann sagt dazu: „Hier werden Personen dann als zahlungsfähig eingestuft, die ganz bewusst und mit gutem Recht die Eon-Forderungen nicht begleichen und solche Einschätzungen dann auf Anfrage an Dritte weitergegeben.“ Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert beklagt gegenüber der taz, „dass im vorliegenden Fall die Einschaltung einer Wirtschaftsauskunftei nicht erforderlich und damit unzulässig“ sei.
Eon Hanse-Sprecherin Franco-Fratini betont, ihr Unternehmen habe die Inkasso-Firma zwar beauftragt, die umstrittene Daten-Weitergabe an Dritte aber nicht veranlasst. „Wir halten unsere Forderungen für absolut rechtmäßig und müssen sie gerade bei den Kunden, die zu einem anderen Energieversorger gewechselt sind, auch geltend machen.“
Nach mehreren Mahnungs-Runden habe der Gaslieferant sich deshalb entschlossen, das Inkasso-Unternehmen zu beauftragen, um eine Klage zu vermeiden, mit der hohe Kosten auf seine Ex-Kunden zukämen. Die Anrufung der Gerichte sei der nächste Schritt, sollte auch das Inkasso-Unternehmen die zu wenig gezahlten Beträge nicht eintreiben können. Rechtsanwalt Timmermann hingegen betont, „dass gerade durch die völlig überflüssige Einschaltung des Inkasso-Unternehmens die Kosten in die Höhe schnellen“ würden. „Die Eon-Kunden zahlen ganz bewusst nicht und müssen das auch jetzt nicht tun.“ Sein Verdacht: „Eon Hanse scheut die juristische Auseinandersetzung, weil das Unternehmen weiß, das es vor Gericht keine guten Karten hat.“