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Archiv-Artikel

Der Fun-Punk

VERWEIGERUNG Die Verfilmung von Rocko Schamonis Roman „Dorfpunks“ setzt auf Laienschauspieler. Die Hauptrolle spielt der 19-jährige Cecil von Renner. Sein Job ist es, mit positiver Ausstrahlung die Verweigerung zu verweigern

Dreimal „Dorfpunks“

■ Das Buch: Rocko Schamonis Roman „Dorfpunks“ erschien 2004 im Rowohlt-Verlag. Bislang wurde er 145.000 mal verkauft.

■ Das Theaterstück: Eine Theaterfassung des Romans hatte im Frühjahr 2008 am Schauspielhaus in Hamburg Premiere. Das Stück hat als märchenhafter Bilderreigen mit dem Buch nur wenig zu tun. Schamoni spielt neben Heinz Strunk und Jacques Palminger selbst mit.

■ Der Film: Wurde gedreht von Regisseur Lars Jessen. Das Drehbuch schrieb Norbert Elterlein, Rocko Schamoni war lediglich als Berater für die Musik beteiligt. kli

VON KLAUS IRLER

Schleswig-Holstein ist schön. Das Meer so ruhig. Die Strände voller Sand und menschenleer. Die Felder sanft geschwungen. Die Bäume alt und knorrig. Die Häuser mit Fachwerk und die Nachbarn so tolerant, dass die Bandprobe im Dachstuhl stattfinden kann. Schleswig-Holstein ist ein Idylle für alle. Hier bin ich Punk, hier kann ich’s sein.

Der Film „Dorfpunks“, der heute in den Kinos anläuft, erzählt von einer Gruppe jugendlicher Punks Anfang der 1980er Jahre, die in der Kleinstadt Lütjenburg an der Ostseeküste erwachsen werden. Sie prügeln sich, saufen, gründen eine Band, haben verunglückten Sex, benehmen sich bei Privat-Partys daneben und fackeln Strandkörbe ab. Der Film ist ein Heimatfilm, der die Idylle kombiniert mit dem Leck-Mich der Punk-Ästhetik.

„Dorfpunks“ basiert auf Rocko Schamonis gleichnamigen Roman. Das Buch ist autobiografisch und ist kein lustiges Buch, hat aber ab und zu lustige Passagen. Verfilmt hat es nun Regisseur Lars Jessen, 40, der mit „Der Tag als Bobby Ewing starb“ schon einmal einen Film über ein alternatives Milieu der 1980er Jahre gemacht hat.

Jessen hat entschieden, in seinem Film das „Leidenschaftliche, Hedonistische und Lustige am Punk“ zu zeigen. Punk ist hier nicht Ausdruck eines Problems, sondern Ausdruck der Freude an der Freiheit. Der Film hat das Buch nur als Inspiration genommen und nicht als Vorlage im engeren Sinn.

Die Hauptrolle spielt der 19-jährige Cecil von Renner, der allerdings nicht als Rocko Schamoni-Darsteller fungieren soll. „Es geht nicht um die Verfilmung von Rockos Leben“, sagt von Renner. Dafür geht es um das Jungsein in 80er Jahren als Punk auf dem Land, um die Suche nach Freiheit mit dem Mittel des Punk.

Regisseur Jessen wollte, dass die Dorfpunks von Jugendlichen dargestellt werden, die, abgesehen von den Punk-Klamotten, sie selbst sind vor der Kamera. Das Casting wurde zum zentralen Aspekt des Films. Jessen wollte „unverbrauchte, frische Leute aus der Region“ und lud in mehreren Städten über Radiosender zum Casting ein. Er suchte Darsteller, keine Schauspieler.

Für von Renner entschied sich Jessen sofort. Er wollte einen positiven Punk-Film drehen und von Renner hat eine bemerkenswert positive Ausstrahlung. Von Renner ist nicht nur jemand, der gern und viel lacht, sein Lachen ist auch außergewöhnlich einnehmend. Im Film spielt er den jungen Töpfer Roddy. Der ist äußerst zuversichtlich, offen und charmant – vor allem durch sein Lachen.

Mit Punk hat der reale von Renner nichts zu tun. Er mag elektronische Musik, hat sich die Haare wieder abschneiden lassen und trägt eine Röhren-Jeans zum Zitronengelben Hemd. So sitzt er im Garten vor der elterlichen Villa am Rand von Hamburg und hat noch ein gutes Jahr vor sich, ehe er auf der Waldorf-Schule in Hamburg-Harburg Abitur machen wird. Neben der Haustür hängt ein „Dorfpunks“-Filmplakat und seine Mutter sagt, dass Cecils positive Ausstrahlung eindeutig mit der Waldorfpädagogik zu tun habe.

„Punk ist Verweigerung. Deswegen kann Punk nur Punk sein, wenn er kein Punk ist.“

Cecil von Renner sagt, im Unterschied zu den Verhältnissen bei den Dorfpunks im Film gebe es heutzutage viele junggebliebene Eltern, gegen die man sich nicht zu wehren brauche. Auch gebe es heute unter den Jugendlichen keine Gruppierung mehr, von der man sagen könnte, dass sie sich gegen etwas wehrt. Sie hätten da eine Diskussion mit Rocko Schamoni gehabt, darüber, dass die Jugend sich heutzutage nicht mehr wehrt. „Das stimmt auch“, sagt Cecil von Renner. „Jeder sitzt so für sich rum. Das verläuft sich alles, auch durch die Kommunikation über das Internet.“ Stimmt also das alte Trauerlied von der unpolitischen Jugend? „Es ist gut, wenn sich Jugendliche für Politik interessieren“, sagt von Renner. „Aber wenn sie es nicht tun, ist da nichts schlechtes daran.“

Was von Renner sich vorstellen kann, ist der Freiheitsdrang der Dorfpunks, ihr Suchen, ihre Lust, sich auszuprobieren. Was er sich nicht vorstellen kann, das ist das Gefühl, in der Provinz zu leben und abgeschnitten zu sein von den Orten, an denen was geht. „Man nimmt immer Teil an allem, seit es das Internet gibt“, sagt von Renner. Statt des Drangs, aufzubrechen, gibt es den Eindruck unbegrenzt vieler möglicher Lebensentwürfe. Welchen von Renner probieren will, weiß er noch nicht. Was Kreatives. Schauspielerei könnte es werden, sicher sei er sich aber noch nicht.

Den Satz, der für von Renner das Punk-Verständnis der Dorfpunks auf den Punkt bringt, stammt im Film von Band-Kollege Sid und lautet: „Punk ist die Philosophie der Verweigerung. Deswegen kann Punk nur Punk sein, wenn er kein Punk ist. Wenn der Punk den Punk verweigert, ist er der vollendete Punk und deswegen werden wir auch keine Platte machen.“

Die Band im Film heißt „Fuck Off Tomorrow“, eine Losung, die konträr steht zum sonnigen Wesen von von Renner. Aber die Idee dieser Punks soll ja sein, die Verweigerung zu verweigern. Von Renner hat dafür sein Strahlen. Das Kino dürfte ihn gefunden haben.

Eine Filmkritik folgt morgen im Kulturteil der taz