: 70 Promi-Frauen ziehen sich Kopftuch an
Eine große weibliche Koalition aus Wissenschaft, Gesellschaft, Kultur und Politik kämpft: Muslimische Lehrerinnen sollen Kopftücher tragen dürfen. Mit einem Kopftuchverbot ist Integration nicht zu machen. Wie erkennt frau Islamistenmänner?
AUS BERLIN THILO SCHMIDT
Unter der Minerva-Statue am Brandenburger Tor versammelten sich gestern diverse Promi-Frauen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), lächelte in die Kamera. Die Bundestagsabgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) war dabei – genau wie die Schauspielerin Renan Demirkan und Barbara John (CDU), die pensionierte Ausländerbeauftragte Berlins. Der Frauenauftritt zu Füßen der Minerva sollte ein Symbol sein. Denn Minerva war im alten Rom nicht nur die Göttin der Weisheit. Sie war auch die Patin der Lehrerinnen und Lehrer – und genau um die kämpft die große Frauenkoalition.
Beck, John, Demirkan, Leutheusser und 70 weitere Frauen wenden sich gegen ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen. Sie argumentieren, das Kopftuch über den Haaren einer Muslima sei kein Erkennungszeichen für radikalen Islamismus. Mit Verboten sei keine Integration zu erreichen. Im Gegenteil, Verbote spielten radikalen Islamisten in die Hände. Denn sie warten laut der minervischen Frauenkoalition nur darauf, daraus Propaganda zu konstruieren: dass die in Deutschland lebenden Muslime stigmatisiert würden.
„Es ist uns schnell gelungen, 70 Frauen zu finden, die eine ‚Lex Kopftuch‘ nicht akzeptabel finden.“ Zu den Unterzeichnerinnen gehören auch die frühere Ministerin Irmgard Schwaetzer (FDP), die Schauspielerin Katja Riemann, die Gewerkschafterin Margret Mönig-Raane, die Ex-Parlamentspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) und die Chefin der Stasiunterlagenbehörde, Marianne Birthler (Grüne).
Allen diese Frauen, sagte die Integrationsbeauftragte, hätten eine gemeinsame Grundüberzeugung, die sich „gegen jede Form von politischem Fundamentalismus“ richte. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht sei die Debatte um das Kopftuch von Emotionen geprägt gewesen. Differenzierung aber seien verloren gegangen: „Entscheidend ist nicht, was auf dem Kopf ist, sondern was in dem Kopf ist.“
Das Bundesverfassungsgericht hatte am 24. September entschieden, dass Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuches nicht aufgrund eines Verwaltungsaktes, sondern nur per Gesetz verboten werden kann. Solche Gesetze müssen die Bundesländer verabschieden. Baden-Württemberg hat einen solchen Gesetzentwurf vorgelegt.
Das Kopftuch sei völlig ungeeignet für die Auseinandersetzung mit Fundamentalisten – gerade ihren männlichen Vertretern. „Wie halten wir dann die Männer aus dem Unterricht heraus“, fragte Beck, „die radikale Islamisten sind?“
Durch ein Kopftuchverbot würden sich viele Muslime ausgegrenzt und chancenlos fühlen. Dies wiederum würden radikale Islamisten auszunutzen wissen: „Wir wissen, dass Ausgrenzungspolitik die Botschaft ist, auf die sie gewartet haben“, sagte Beck.
Die Schauspielerin Renan Demirkan findet nicht das Kopftuch gefährlich, „sondern diejenigen, die es instrumentalisieren – auf beiden Seiten, auch die Schavans und Schwarzers“. Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer – sie spricht von der „Pseudo-Toleranz der Kopftuch-Befürworter – wie auch die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU) sind vehemente Kopftuch-Gegnerinnen.
Die beiden prominenten CDU-Frauen Süssmuth und John müssen sich für ihr Eintreten gegen ein Kopftuchverbot einiges gefallen lassen. Der Berliner Landesvorsitzende der Jungen Union, Tim Peters, bezeichnete die beiden als „nützliche Idioten“ des fundamentalistischen Islam. Renan Demirkan gab mit gleicher Münze zurück. Es seien „Schwachköpfe, die das sagen“. John sieht es gelassen: „Es gibt eben Alt-Mullahs und auch Jung-Mullahs, und die haben ein christdemokratisches Parteibuch.“
Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg kritisiert den Aufruf der Ausländerbeauftragten – und fordert nicht nur ein Kopftuchverbot, sondern ein Verbot aller religiösen Symbole im gesamten öffentlichen Dienst.