: Lachende Gaumen
Spektakuläres Spachteln im Spiegelzelt: Das Parkhotel macht derzeit in Kultur – und die ist durchaus lecker
Brot&Spiele gibt es in vielen Varianten. Vom römischen Löwen-Gladiatoren-Spaß – wo Nahrungsaufnahme und Spektakel sogar symbiotisch vereint waren – über den schlichten Schützenfestfreibierausschank bis hin zu Zuckerbrot-und-Peitsche-Spielen der Marke S/M. Das gemeinsame Prinzip: Gaumen und Gemüt werden gleichermaßen bedient, um anti-revolutionäre Zufriedenheit zu erzeugen.
Dass das Parkhotel derzeit eine B&S-Variante eigener Prägung realisiert, hat freilich weniger mit römischer Staatskunst als mit der Besetzung einer Marktlücke im besonders gehobenen Unterhaltungssegment zu tun: Für den Gegenwert von 63 Tazzen (Wochenendausgabe) kann man im eigens zwischen Hotel und Hollersee errichteten Spiegelzelt („Palazzo“) acht Bestecke schwingen und dabei ein umfangreiches Showprogramm goutieren. Im vergangenen Jahr leisteten sich das immerhin 7.000 Menschen.
Wie also verschmelzen Augen- und Gaumenschmaus zum angekündigten „harmonischen Gesamtkunstwerk“? Kommen nach Friedhelm Kändlers Froschmärchen – gespielt von dem überragenden Berliner Wort- und Balljongleur Marcus Jeroch – etwa dessen Schenkel auf den Tisch? Nein. Das ausgesuchte Menue à la Dies-an-dem-von-Jenem passt sich der Kunst auf subtilere Weise an. Und umgekehrt.
Etwa so: Ein Appetit, der von der eingangs gereichten Roulade von Flusskrebsen und Seezunge nur angenehm vorläufig gezügelt ist, wird von der Dracula-Artistiknummer des Russen Andrej Katkov gerade wieder so weit angefacht, dass ein Entenconsommé mit Entenleberravioli und kleinem Gemüse verdaubar ist. Zwischen Vampir und Wildkatze changierend zeigt Katkov so ziemlich alles, was aus einem Handstand heraus körperlich möglich ist.
Und das Publikum? Animiert von Comedykellnern und Varieté-Spezialitäten-Orchester wird Bremens Haute Volée selbst zu eating acts, die in allerlei Spontaninteraktionen mit der Palazzo-Crew treten. Die Rolle des gemütlich zurück gelehnten Essers ist auch schwierig durchzuhalten, wenn zum Beispiel Reinier Groustra als ebenso distinguierter wie datteliger Maître de Service an den Tisch tritt und zu scherzen beginnt.
Der Niederländer macht seine Sache wirklich gut, und neben Seilakrobatik und Diaboloshow bemüht sich auch die kanadische Torsionssängerin Mercedes Chenard (die singend die Beine hinter dem Kopf verschränkt) mit Erfolg, dem getrüffelten Kalbsrücken an Portweinsauce zu neuem aufnahmebereitem Innenraum zu verhelfen.
Zwischendurch gibt es noch „Alphorngeschnetzeltes“: Uli Baumann, einzige Lokalmatadorin neben den beim Nachtischalarm eindrucksvollen rennenden Parkhotelkellnern, bläst sich mit einem meterlangen Rohr durch Schweizer Liedgut, passend zu den am Zeltdach rüttelnden eisigen Winden. Will heißen: Wer sich zwischen drei Monaten taz-Lektüre und einem „Palazzo“-Abend entscheiden muss, soll ersteres wählen. Alle anderen: Allez y! HB
Bis 15. Januar. Karten: ☎ (0421) 34 08 555 und -666