Lehrstück für Referendare

SCHANZENPARK Kapriolen im Prozess gegen Mövenpick-Hotelgegner. Richter wirft strafprozessuale Grundsätze für ein schnelles Ende über Bord

Das Verfahren basiert auf einer zweifelhaften Rechtsgrundlage. Jörg M. war in einem Internet-Café durch eine Überwachungskamera illegal gefilmt worden, aus dem zu dem Zeitpunkt eine Bekennermail an die Hamburger Morgenpost abgeschickt worden ist, die der Polizeireporter Sascha Balasko an den Staatsschutz weiterleitete. Ob tatsächlich M. der Absender war, ist unklar. Zudem besteht nach herrschender Rechtsauffassung bei heimlichen Videoaufzeichnungen ein Verwertungsverbot, was Amtsrichter Andree Peters nicht beeindruckt.  KVA

Der Prozess gegen die AktivistInnen für den Erhalt des Schanzenparks, Claudia F. und Jörg M., entwickelt sich zunehmend zur Farce, da Andree Peters wieder einmal seinem Ruf als Hau-Ruck-Richter alle Ehre verleiht.

Am Donnerstag lehnte Peters alle prozessual notwendigen Beweisanträge der Verteidiger Andreas Beuth und Marc Meyer ab, weil er mit den Plädoyers und dem Urteil zum schnellen Verfahrensende kommen wollte. Auch die „Anregung“ von Polit-Staatsanwalt Michael Elsner im Rahmen der „Aufklärungspflicht“ von Amtswegen drei weitere Tatzeugen zu laden, lehnte er als „unbegründet“ ab. Als Elsner das Begehren als Antrag formulierte, gab er ihm statt und beraumte weitere Sitzungstage im Stundentakt bis Mitte Juni an. „Das ist ja hier wie im Kabarett“, raunten die Zuschauer.

Claudia F. und Jörg M. wird Beihilfe zur Sachbeschädigung und Nötigung zur Last gelegt. Sie sollen nach Sachbeschädigungen bei Firmen im Herbst 2005, die am Bau des Mövenpick-Hotels im Schanzenpark-Wasserturm beteiligt waren, an der Erstellung der Bekennerbriefe sowie an deren Verbreitung mitgewirkt haben. Bislang stützt sich die Anklage allein auf die Aussage des Staatsschutzbeamten Jan R., der damals „Aktenführer“ war, aber nie einen Tatort aufgesucht oder an operativen Maßnahmen teilgenommen hatte. „Das ist kein Zeugenbeweis“, insistierte Elsner, bevor Peters den Beweisanträgen stattgab.

Ebenso verhält es sich mit einem Notizblock, den die Polizei bei Claudia F. gefunden hatte. „Der Block ist prozessual nicht eingeführt“, moniert Marc Meyer, zudem habe selbst eine zweifelhafte Schriftgutachterin den Block F. nicht zuordnen können. „Dieser Prozess ist für jeden Strafrechtsreferendar interessant“, witzelte Meyer, „er ist so wie man es auf jeden Fall nicht machen sollte“. KAI VON APPEN