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Archiv-Artikel

Gesucht: Türkische Gastarbeitgeber

Die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung in NRW buhlt um Investoren aus der Türkei. Auf einer Konferenz im türkischen Izmir warben Unternehmer Unternehmer. Auch ein türkischer TV-Sender aus Mülheim will die Kampagne fortschreiben

Noch fließen mehr türkische Investitionen nach Holland als nach NRW

AUS IZMIR ELMAR KOK

Ali Akbas hat von NRW aus Großes vor. Er will ab Mitte Dezember ganz Europa mit einem eigenen Fernsehsender beglücken. Akbas hat sich eine Frequenz auf dem Satelliten Turksat gekauft, was ihn im Monat „rund 16.000 Euro“ kostet. Das habe den Vorteil, „dass die europäischen Türken ihre Satellitenschüssel so weiter nutzen können“, ohne das sich jemand eine neue Schüssel kaufen oder einen Umbau vornehmen müsse, sagt Akbas. Er gehört neben drei anderen zu den türkischen Unternehmern, die in der Handelskammer Izmir für den Standort Nordrhein-Westfalen werben sollen. Denn Akbas „Kanal Avrupa“ wird aus Mülheim kommen.

Die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung in NRW und das Essener Zentrum für Türkeistudien hatte für Montag nach Izmir eingeladen, um potenten Unternehmern der türkischen Ägäis-Region den Standort Nordrhein-Westfalen schmackhaft zu machen. Mehmet Ali Kasah, Vorsitzender des Verbandes der Unternehmer in der Ägäis-Region macht auf der Konferenz deutlich, dass für eine fruchtbare wirtschaftliche Zusammenarbeit am 17. Dezember die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union (EU) beschlossen werden sollte. Denn damit bekomme die Zusammenarbeit mit Deutschland und gerade auch Nordrhein-Westfalen einen festen Grund. NRW sei einer der ersten Verfechter des türkischen EU-Beitritts, lobt Kasah. Kulturell seien die Unterschiede für interessierte Türken sowieso zu meistern. „Sie denken in Nordrhein-Westfalen nicht, dass sie im Ausland sind, die türkischen Kinder gehen dort zur Schule und viele beten dort“, sagt Kasah. Faruk Sen, Leiter des Zentrums für Türkeistudien und Mitorganisator des Treffens glaubt, dass es zu Beitrittsverhandlungen kommt, sieht aber für eine endgültige Aufnahme der Türkei in die EU noch Probleme: „Problematisch ist, dass das Ende des Verfahrens zeitlich noch offen ist.“ Zudem müssten alle bisherigen Mitgliedstaaten einem Beitritt zustimmen. „Rumänien oder Bulgarien mussten diese Bedingungen nicht erfüllen“, sagt Sen. Welche Bedingungen türkische Bürger früher erfüllen mussten, berichtet Aydin Yardimci. Aydin ist Geschäftsführer der Kölner Aydin Fleisch GmbH, musste die Industrie- und Handelskammer vor seiner Geschäftsgründung aber erst von seinen Fähigkeiten überzeugen. „Ich habe gesagt: Ich bin als Türke nach Deutschland gekommen, dort Ingenieur geworden, dann werde ich auch wohl Buchhaltung lernen können“, sagt Aydin. Mittlerweile sei es aber sehr einfach, in Deutschland eine Firma zu gründen. „Sie sollten nicht nur auf die Türkei zielen“, rät Aydin den rund 40 anwesenden türkischen Unternehmern. „In einer halben Stunde haben sie in Nordrhein-Westfalen eine Firma beim Notar gegründet, sie sollten NRW vorziehen.“

Bei so viel Werbung für den nordrhein-westfälischen Wirtschaftsstandort hat auch der Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (GfW), Michael Kolmar, nur noch ein Problem: Zeitgleich zur Konferenz wird in der Handelskammer eine Veranstaltung zwischen türkischen und holländischen Unternehmern angekündigt. „Wir wissen, dass nach Holland mehr Investitionen aus der Türkei fließen, als nach NRW. Aber wir nehmen das als sportliche Herausforderung an“, sagt Kolmar. Für türkische Unternehmer gibt es von der GfW sogar ein so genanntes Welcome-Paket, dass eine Gratis-Finanzspritze von 3.000 Euro vorsieht und Unterstützung bei der Standortsuche verspricht. Kolmar empfiehlt das nördliche Ruhrgebiet als idealen Standort. Da die EU diese Region noch als förderbedürftig ansehe, „gibt es dort bis zu 18 Prozent Zuschüsse“ und Beratung durch die neu gegründete NRW-Bank. Rechts-, Steuer- und Finanzberatung dürfe die GfW als staatliche Institution nicht leisten, sagt Kolmar den türkischen Unternehmern, „aber wir vermitteln gute Kontakte“.

Gute Kontakte nach Deutschland vermisst manchmal die türkische Unternehmerin Emine Öztekin der Firma Kortan Görsel Sanatlar, deren Firma CDs und DVDs herstellt. „Wir als Unternehmerinnen werden oft in Deutschland nicht ernst genommen“, sagt sie. Wenn sie mit deutschen Geschäftspartnern spreche, fragten die oft: „Sie kommen wirklich aus der Türkei?“, sagt Öztekin. Viele sähen die Türkei immer noch als „Dritte Welt Land“. Somit könnten die vier aus Nordrhein-Westfalen angereisten türkischen Unternehmer für sie keine Lobbyarbeit übernehmen, sagt sie. „Die Lobbyarbeit kommt“, entgegnet ihr der Fernsehmann Akbas. Der Fernsehsender aus Mülheim werde dadurch, dass er in ganz Europa ausgestrahlt werde, auch für eine andere Wahrnehmung der europäisch geprägten Türken sorgen, sagt Akbas.