: Scotland Yard hat ausgedient
Umbau der Sicherheitssysteme auf Kosten der persönlichen Freiheit ist Tenor der Regierungserklärung, die die Queen gestern vor dem Oberhaus in London verlas
DUBLIN taz ■ Alles für die Sicherheit, so lautet das Motto der britischen Regierung für die nächste Legislaturperiode. Wie es Tradition ist, verlas Königin Elisabeth gestern im Parlament das Programm für die nächsten zwölf Monate, das ihr die Regierung diktiert hatte. An erster Stelle stehen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung. So werden die Briten ab 2007 Personalausweise erhalten, auf denen ihre biometrischen Daten gespeichert sind. Außerdem soll eine neue Behörde, die „Serious Organised Crime Agency“, nach Vorbild des US-amerikanischen FBI gebildet werden. Die 5.000 Agenten werden die Arbeit des berühmten Scotland Yard übernehmen.
Darüber hinaus will die Regierung Sondergerichte ohne Geschworene einführen. Beweise, die aus dem Anzapfen von Telefonen gewonnen werden, sollen vor Gericht zulässig sein, und die Polizei soll die Bewegungsfreiheit von Verdächtigen auch ohne Beweise einschränken dürfen. Ähnliche Gesetze hatte die damalige Labour-Regierung in den 70ern für Nordirland erlassen.
Bürgerrechtsgruppen haben starke Bedenken angemeldet, doch Vizepremier John Prescott glaubt, die Briten würden eine Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit für mehr Sicherheit in Kauf nehmen: „Robin Hood hat vielleicht den Sheriff von Nottingham bedroht, aber er stellte nicht die globale Gefahr dar, vor der wir heutzutage stehen, denn er war kein Selbstmordattentäter und hatte keine Massenvernichtungswaffen.“
Die Liberalen Demokraten warfen Blair vor, er schüre die Angst vor Terroranschlägen bewusst, um davon zu profitieren, wenn voraussichtlich im Mai gewählt wird. Dazu passe auch die Meldung der Daily Mail, die gestern berichtete, dass al-Qaida geplant hatte, drei Hochhäuser im Ostlondoner Geschäftsviertel Canary Wharf mit Flugzeugen zu zerstören. Ein Sprecher der Polizei sagte, diese Information sei ihm neu.
Blairs Regierungsprogramm, das auch ein Referendum über die EU-Verfassung vorsieht, ist umfangreich, es enthält rund 50 Prozent mehr Gesetzesvorhaben als in den vergangenen Jahren. Blair will damit offenbar signalisieren, dass er noch viel vorhat und man ihm eine historische dritte Amtszeit gewähren möge.
RALF SOTSCHECK