: BI schwimmt gegen den Strom
Eine Bürgerinitiative in Mülheim gibt nicht auf: Sie will das Projekt „Wohnen am Strom“ verhindern. Sie sieht dadurch die Hochwassergefahr verstärkt. Alternative Baupläne wurden nicht berücksichtigt
Von Thomas Spolert
Die Bauarbeiten zum umstrittenen Projekt „Wohnen am Strom“ am Mülheimer Hafen sollen im Sommer kommenden Jahres beginnen. Bereits seit Ende Oktober 2004 ist der Verkauf des 18.000 Quadratmeter großen Filetgrundstücks im Rechtsrheinischen perfekt. „Der Vertrag ist in trockenen Tüchern“, bestätigt Franz-Xaver Corneth von der Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK). Neuer Besitzer ist die Corpus Immobilien GmbH der Stadtsparkasse Köln.
Corpus will nach den Plänen des Architekten Wilhelm Schulte rund 140 Luxuswohnungen direkt am Rheinufer bauen. „Wir schieben das Projekt bereits mit Volldampf voran“, erklärt Jürgen Diehl von der Projektentwicklung der Corpus. Doch gegen das Bauvorhaben im Hochwasserschutzgebiet regt sich weiter Widerstand. Die Bürgerinitiative Mülheim Süd will vor dem Oberverwaltungsgericht klagen. „Wir rechnen uns sehr gute Chancen vor Gericht aus, das Projekt zu stoppen“, versichert Sabine Thelen von der BI.
Schon mehr als sieben Jahren dauert der Streit um die geplante Bebauung des Geländes zwischen Festplatz und den WDR-Kulissen für die „Anrheiner“. In diesem Februar mussten die Kritiker jedoch eine erste Niederlage einstecken. Gegen die Stimmen der PDS gab der Rat grünes Licht für das umstrittene Bauprojekt „Wohnen am Strom“. Selbst eine Intervention von NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) blieb erfolglos.
Der künftige Bauherr muss nach den Vorgaben des Rates den Hochwasserschutz gewährleisten und die Promenade am Rhein ausbauen. Die Bebauungsgegner befürchten, dass sich die Hochwassersituation dennoch verschärft, wenn die Fläche am Mülheimer Hafen versiegelt wird. „Das steigende Grundwasser bei Hochwasser ist das entscheidende Problem“, erklärt Anwohnerin Thelen. Hier würden zusätzliche Kosten wegen zunehmender Feuchtigkeitsschäden auf die Bewohner der anderen Häuser zukommen. Außerdem werde die freie Sicht für alle Mülheimer auf den Rhein verbaut.
Die Corpus-Projektplanung sieht hingegen keine Probleme für das Bauprojekt im Überschwemmungsgebiet. „Der Hochwasserschutz ist mit das Wichtigste“, betont Jürgen Diehl von der Corpus Projektentwicklung. Wenn die Rheinfluten kämen, könne die im Erdgeschoss gelegene Garage geflutet werden. Man greife hier auf Erfahrungen aus den Bauprojekten am Rheinauhafen zurück. „Es gibt bestimmt keinen zweiten Schürmannbau“, beteuert Diehl. Der erste von vier Bauabschnitten soll bereits 2006 fertig sein.
Neben der Corpus hatte sich noch die Düsseldorfer Development Partner AG mit einem Entwurf des Kölner Architektur-Büros Wansleben um das Gelände beworben. Im Gegensatz zum Schulte-Entwurf verzichtete Architekt Norbert Wansleben auf das Sockelgeschoss mit Garagen. Wanslebens Plan sieht stattdessen vor, alle Gebäude auf Stelzen zu stellen und so vor Hochwasser zu schützen. So würde kein Retentionsvolumen verdrängt. „Der Versiegelungsgrad ist minimal“, erklärt der Architekt den ökologischen Vorteil seines Vorschlags. Das Hochwasser würde auf dem Grundstück versickern und es gebe einen barrierefreien Zugang zur Uferpromenade für alle. Sein Entwurf habe damit alle Einwände der Bürger berücksichtigt.
Doch im Aufsichtsrat der HGK hatte der Wansleben-Entwurf keine Chance. Nur die grüne Fraktionschefin Barbara Moritz stimmte offenbar gegen Verkaufsgespräche mit der Corpus Immobilien. „Der Wansleben-Plan ist der verträglichste Entwurf gewesen“, bedauert Moritz den HGK-Beschluss.
„Der Aufsichtsrat hat nach den üblichen Grundsätzen entschieden“, lässt HGK-Mitarbeiter Franz-Xaver Corneth keinen Zweifel am HGK-Beschluss aufkommen. Demnach müssten die Vorgaben der Stadt erfüllt werden, der Käufer solvent sein und der Preis müsse stimmen. Ob es letztlich am Preis lag, wollte Corneth nicht verraten. Auch Corpus hüllt sich zu dieser Frage in Schweigen. Corpus-Konkurrent Development Partner bot immerhin 2,3 Millionen Euro für das „Sahnestück“ am Mülheimer Rheinufer.
Noch Anfang Oktober wandte sich Architekt Norbert Wansleben mit einem Hilferuf an die Landesgrünen und die beiden grünen NRW-Minister Bärbel Höhn und Michael Vesper. Darin forderte Wansleben, den von Bärbel Höhn angekündigten Dialog mit der Stadt zu führen, um die wegen des Hochwasserschutzes umstrittenen Corpus-Pläne zu verhindern. Doch politisch gab‘s von der Umweltpartei keine Unterstützung mehr. Der formale Ablauf sei eingehalten worden, antwortete lapidar das Umweltministerium in Düsseldorf.
Wann die Bürgerinitiative ihre Klage gegen das geplante Bauprojekt am Mülheimer Rheinufer einreichen wird, hängt jetzt vom Geld ab. „Das Verfahren wird wahrscheinlich 33.000 Euro kosten“, rechnet Sabine Thelen von der BI vor. Bisher haben die Anwohner erst 26.000 Euro gesammelt. Die BI hofft auf weitere Spenden und gibt sich kämpferisch: „Wir werden auf jeden Fall klagen.“