Zerfransen und Zurückkommen: Tom Liwas neue Freiheit : Er kennt die Seelennarben
Tom Liwa mag die einfachen Dinge: eine Gitarre zum Beispiel, von der er weiß, dass sie von einem Instrumentenbauer gefertigt wurde, der im Wald nach einem besonders schönen Baum gesucht hat. Ganz genau aus diesem Holz soll sie gebaut werden. Fünfzehn solcher Gitarren gibt es auf der Welt – und eine davon gehört ihm.
Wer seine Gitarren so liebt, der kann kein schlechter Mensch sein. Tom Liwa ist seit vielen Jahren mit seinen Gitarren unterwegs – von Lied zu Lied, von Album zu Album, von Tour zu Tour. Ganz früher hatte er noch seine Band Flowerpornoes dabei. Nur wenige Stücke aus dieser Zeit spielt Liwa heute noch, dafür umso mehr andere aus den in immer kürzeren Abständen erscheinenden neuen Alben. Ein Liedermacher, der über die Liebe singt, über die kleinen Geschichten am Rande. Ein Sänger, der das Nutzlose preist, das Langsame und Unspektakuläre. An alten Kanälen, am Hafen und auf Landstraßen sind seine Geschichten beheimatet.
Über die Jahre hat sich Liwa einen treuen Freundeskreis erspielt, ähnlich wie die anderen einsamen Gitarrenmänner in Deutschland. Doch mit keinem ist Liwa vergleichbar. Nicht so lustig wie Funny van Dannen, nicht so zynisch wie Bernd Begemann – doch Liwas Weltbetrachtung zwischen traurigem Unverstandenfühlen und leisem Glück trifft meistens einen wunden Punkt bei seinen Hörern. Er kennt ihre Seelennarben, denn sie ähneln seinen eigenen.
Der Duisburger begleitet sich auf seinen Gitarren, doch auch wenn er sie in der Art eines Kenners und Liebhabers behandelt, so ist er doch kein Gitarrist. Seine Gitarrentechniken – schnelle Fingerpickings, offene Jazzakkorde, Bluesphrasen und die einfachen schönen Tricks der Lagerfeuermusik – haben allein dienende Funktion. Sie umspielen die Texte Liwas, in denen er mit sanfter Stimme vom Leben erzählt.
Auf seinem Album Stäfa / CH, erschienen in der wunderbaren „Return to Sender“-Reihe bei Normal Records, wagte sich Liwa an die Lieder der Meister, coverte Drake, Dylan und Young – und vor kurzem ist wieder ein neues Werk erschienen. Es trägt den hebräischen Titel Dudajim und nähert sich mehr als zuvor dem Jazz.
„Die Musiker, mit denen ich auf der Platte zusammenspiele, sind größtenteils Jazzer. Obwohl die auch sehr viel verschiedene Sachen machen. Ich denke, insofern hat sich das auch ein bisschen in die Platte reingeschlichen – so eine gewisse Freiheit, dieses Ausgehen von Grundthemen, dieses zu zerfransen und dann zurückzukommen“, sagt Liwa über sein (mittlerweile zehntes) Werk – das er jetzt im Kunstraum der Markthalle vorstellt. Marc Peschke
Do, 21 Uhr, Markhalle, Kunstraum