Nur Arme verlieren

Neun von zehn Schulschließungen treffen ärmere Stadtteile. Heute Proteste in Steilshoop und Billstedt-Horn. Senatorin muss noch mehr Stellen sparen

von Kaija Kutter

Die Personalräte der Schulen haben die geplanten Schulschließungen mit den Sozialdaten von 96 Hamburger Stadtteilen verglichen. Das Ergebnis ist frappierend. In 80 Prozent der Fälle treffen die Schließungen die ärmere Hälfte der Stadt. Im Schnitt sind 9,9 Prozent der Hamburger arbeitslos oder Sozialhilfeempfänger. Nimmt man diesen Wert als Mitte, so treffen sogar 90 Prozent der Schließungen arme Viertel wie Tonndorf (13,9 Prozent), Barmbek-Süd (15,2 Prozent), Horn (20,2 Prozent) oder Billstedt (23,9 Prozent).

„Die jüngste Pisa-Studie hat gerade erst bestätigt, dass nirgendwo der Zusammenhang zwischen Bildungschancen und sozialer Herkunft so groß ist wie in Deutschland“, schreiben die Personalräte. Die Schulentwicklungsplanung zementiere diese Unterschiede und gehe in die „grundsätzlich falsche Richtung“.

„Das Ergebnis ist schlimmer als wir dachten“, erklärt Personalrat Werner Haertel. „Man kann nicht erwarten, dass die Leistungen der sozial schwachen Schüler besser werden, wenn man ihre Schulen schließt. Sie brauchen kleine Klassen.“

Die Analyse gibt all den Eltern Rückenwind, die in diesen Tagen für ihre Stadtteilschulen kämpfen. „Es ist auffällig, dass gerade die Gesamtschulen in Jenfeld, Osdorf und Steilshoop ihre Oberstufen verlieren“, erklärt beispielsweise Martin Kersting vom Elternrat der Gesamtschule (GS) Steilshoop. Ohne die Oberstufe bestünde nicht nur die Gefahr einer Schließung der ganzen Schule und Verödung des Stadtteils. „Ich befürchte, dass Schüler davon abgehalten werden, Abitur zu machen.“ Denn die nächste Oberstufe am Alten Teichweg ist nur mit komplizierter Bus-Verbindung erreichbar.

„Weiterführende Schulen sind viel zu weit entfernt und können nicht viele von uns aufnehmen“, sorgt sich auch Miriam Saß von der Otto-Hahn-Gesamtschule in Jenfeld. Hier liegt die alternativ genannte GS-Horn gar sieben Kilometer weg. Für Behördensprecher Alexander Luckow kein Argument: „Wenn das Engagement für das Abitur am Weg scheitert, stellt sich die Frage der Wertigkeit dieses Engagements.“

Unterdessen hat sich Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) von der Opposition den Vorwurf der „Denunziationsaufforderung“ eingefangen, weil sie alle 330 Schulleiter schriftlich auffordert, „Lösungsvorschläge“ für den Abbau von zu kleinen Schulkapazitäten zu benennen. „Letzteres wird unverrückbar mein Ziel bleiben“, schreibt Dinges-Dierig, es gebe dazu „keine Alternative“.

Allerdings stellt sich hier die Frage, wieso? Schließlich sollen die eingesparten 69 Stellen nur zur Qualitätsverbesserung an den Schulen verbleiben. Eine Summe, die winzig scheint, wenn man bedenkt, dass laut gültigen Haushaltsplan in 2006 ohnehin 267 Stellen bei den Sonderbedarfen abgezogen werden sollen. „Die Schulentwicklungsplanung hilft uns bei den 267 Stellen nicht“, räumt CDU-Politiker Robert Heinemann gegenüber der taz ein. „Es ist davon auszugehen, dass dies das Thema Sprachförderung trifft.“ Ein Abgleich der dadurch wegfallenden Stellen mit den Sozialdaten gibt dann wohl keine Überraschung.